Rezension

Interessant, tiefgründig, aber kein ganz großes Kino...

Fünf Tage, die uns bleiben - Julie Lawson Timmer

Fünf Tage, die uns bleiben
von Julie Lawson Timmer

Bewertet mit 4 Sternen

Inhalt:

Mara ist krank. Todkrank. Unheilbar krank. Sie leidet an Chorea-Huntington, einer neurodegenerativen Erkrankung, die ihre kognitiven Fähigkeiten, ihre Muskulatur und ihre Emotionen gleichermaßen angreift und einen völlig anderen Menschen aus ihr macht. Einen Menschen, der zunehmend die Kontrolle über seinen Körper, sein Gedächtnis und sein Verhalten verliert und mehr und mehr auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Mara, erfolgreiche Rechtsanwältin mit einer sehr starken Persönlichkeit, will auf keinen Fall auf die Hilfe anderer angewiesen sein. Sie will ihrem Mann, ihrer Adoptivtochter und ihren Eltern nicht zur Last fallen und vor allem will sie nicht in einem Pflegeheim enden. Außerdem ist es ihr wichtig, dass ihre Familie sie so in Erinnerung behält, wie sie wirklich gewesen ist, und nicht als den Menschen, den diese beschissene Krankheit aus ihr macht. Schon vor langer Zeit hat sie die Entscheidung getroffen, sich beim Auftreten bestimmter Symptome an ihrem darauffolgenden Geburtstag das Leben zu nehmen. In fünf Tagen ist es nun soweit. Fünf Tage bleiben ihr, um alle nötigen Vorbereitungen zu treffen und sich von den Menschen zu verabschieden, die sie liebt. Aber ihre Tochter ist gerade mal fünf Jahre alt, viel zu klein, um jetzt schon ihre Mutter zu verlieren. Und ihr Mann Tom, die große Liebe ihres Lebens, kommt viel besser mit der Erkrankung seiner Frau zurecht, als Mara es je für möglich gehalten hätte und sie kann ihn unmöglich einfach so verlassen. In den fünf Tagen kommt es immer wieder zu Situationen, die Mara an ihrer Entscheidung zweifeln lassen. Welchen Weg wird sie letztendlich gehen?

Scott und Laurie versuchen schon seit Jahren, ein Baby zu bekommen, geben ihr ganzes Geld für Untersuchungen und künstliche Befruchtungen aus. Als vor einem Jahr der achtjährige verhaltensauffällige Curtis für ein Jahr bei ihnen einzog, da seine Mutter wegen Drogensbesitzes zu einem Jahr Gefängnisstrafe verurteilt wurde und sein älterer Brude Brayden, ein ehemaliger Schüler von Scott, sich keine bessere Pflegefamilie vorstellen konnte, war Laurie alles andere als begeistert, wollte sie doch immer ein eigenes Kind und vor allem ein Baby haben. Nun ist das Jahr rum und in fünf Tagen wird Curtis zu seiner Mutter zurückkehren. Während Laurie, die mittlerweile endlich schwanger geworden ist, sich auf die wieder gewonnene Zweisamkeit und das baldige Familienleben mit einem eigenen Baby freut, zerreißt es Scott das Herz, den so lieb gewonnenen Pflegesohn zu seiner drogenabhängigen Mutter zurückzugeben, die weder dafür sorgen wird, dass Curtis genug zu essen und zum Anziehen hat, noch dass er regelmäßig in die Schule geht. Erfüllt von so viel Trauer und Abschiedsschmerz fällt es ihm schwer, sich auf das ihm noch völlig unbekannte neue Kind zu freuen, was ihn und seine Frau mehr und mehr voneinander entfremdet. 

In einem Internetforum für Pflege- und Adoptiveltern lernen Scott und Mara sich kennen, Unbekannte und doch Vertraute, die sich gegenseitig Halt und Trost spenden...

 

Meine Meinung:

Die Geschichte von Mara ist unglaublich spannend und wahnsinnig vielfältig. Der Alltag einer Huntington-Erkrankten wird sehr anschaulich und detailliert dargestellt, was mich ein bisschen an den Stil von "Still Alice"/"Mein Leben ohne Gestern" erinnert hat, und die ganzen Informationen über diese Krankheit sind unglaublich interessant. Aber auch ihre Arbeit als Rechtsanwältin wird angeschnitten und dass sie und Tom ein Kind aus Indien adoptiert haben und auch Mara selbst von ihren Eltern aus einem Waisenhaus in Indien adoptiert worden ist, verleiht der ganzen Geschichte eine zusätzliche Bandbreite, auf die meiner Meinung nach aber - wenn schon angeführt - intensiver hätte eingegangen werden können.
Auch die Geschichte von Scott, in dessen Fall ein bisschen detaillierter auf die Rechtsgrundlagen von Pflegefamilien eingegangen wird, ist interessant. Mit Scott bin ich insgesamt deutlich wärmer geworden als mit Mara, aber kein einziger Charakter der Geschichte konnte mich so RICHTIG packen. Ich bin ein sehr emotionaler Leser und habe an der ein oder anderen Stelle auch ein Tränchen verdrückt, aber die ganz großen Gefühle blieben diesesmal irgendwie aus, obwohl diese Geschichte so viel Potenzial hat. Irgendwie hatte ich mehr Dramatik à la "Ein ganzes halbes Jahr" oder "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" erwartet und wurde dahingehend ein wenig enttäuscht. Wer mit geringeren Erwartungen an dieses Buch herangeht wird aber auf eine wunderschöne und rührende Geschichte stoßen, die ich nichtsdestotrotz auf jeden Fall weiterempfehle...