Rezension

Interessant und informativ

Inside Strafverteidigung -

Inside Strafverteidigung
von Burkhard Benecken

Bewertet mit 4 Sternen

Das deutsche Rechtssystem ist spannend, komplex und für Laien schwer zu durchschauen. Wer genaue welche Aufgabe erfüllt, ist trotz Medienberichten oder auch der ein oder anderen Anwaltsserie nicht immer ganz eindeutig. Sicher haben sich die meisten von uns schon einmal gefragt, warum manche Menschen nicht einfach weggesperrt werden, da unser eigenes Rechtsempfinden darauf drängt, dass etwas getan werden muss, dass Täter bestraft werden müssen.

Doch nur, weil wir etwas als gerecht empfinden würden, entspricht dies nicht zwangsläufig auch der Gesetzeslage. Der Ausspruch „in dubio pro reo“ ist den meisten Menschen wahrscheinlich geläufig. Im Zweifel für den Angeklagten. Doch wer weist auf Zweifel hin? Auf Widersprüche? Auf noch so kleine Ungereimtheiten? Vielfach sind es die Anwälte der Angeklagten, die Strafverteidiger, denn es ist ihre Aufgabe in unserem Rechtssystem die Angeklagten bestmöglich zu verteidigen, optimalerweise einen Freispruch oder zumindest ein mildes Urteil zu erreichen. Dabei darf es keine Rolle spielen, ob der Strafverteidiger von der tatsächlichen Schuld seines Mandanten weiß. Eigene Gefühle spielen keine Rolle; auch die Suche nach der Wahrheit ist nicht ihre Aufgabe, sondern die des Gerichts.

Der Inhalt des Buches ist interessant und lehrreich, der Schreibstil ist wortgewandt und Herr Benecken und Herr Reinhardt verstehen es, auch kompliziertere juristische Sachverhalte für den Laien nachvollziehbar zu erklären.

Die Autoren gewähren uns in ihrem Buch „Inside Strafverteidigung“ einen tiefen Einblick in ihren Arbeitsalltag und ihre Methoden. Oft genug werden die beiden Strafverteidiger mit der Frage konfrontiert „Wie können sie so jemanden auch noch verteidigen?“. Mit zahlreichen Beispielen legen die beiden gekonnt dar, weshalb ihre Rolle so wichtig ist und warum es Personen wie sie geben muss, die jedes Wort der Anklageschrift und  der Zeugenaussagen genauestens unter die Lupe nehmen.

Viele der genannten Fälle waren mir aus den Medien bekannt, manche sind grausam und schockierend und die Details, die die beiden Juristen nennen, gingen mir teilweise ganz schön unter die Haut. Der Untertitel des Buches lautet: Advokaten des Bösen, eine Aussage, die nicht nur Name, sondern oftmals auch Programm ist. Für den Leser kann es sicherlich manchmal befremdlich wirken, wenn mit Stolz - und stellenweise auch einer gewissen Arroganz - davon berichtet wird, wie ein Straftäter sozusagen „erfolgreich“ verteidigt wurde. Zumindest auf mich wirkte es teilweise so. Überdies scheint es, dass ein gut gefüllter Geldbeutel darüber entscheidet, wie gut die Strafverteidigung ist. Während Wirtschaftskriminelle oder Clanmitglieder als „Stammkunden“ gegen gutes Entgelt optimal verteidigt werden, können sich viele andere solche Verteidiger schlichtweg nicht leisten.

Am Ende bleibt daher einerseits das ungute Gefühl, dass Täter manchmal auf Grund juristischer Spitzfindigkeiten ihrer Strafe entgehen oder für das allgemeine Rechtsempfinden eine zu milde Strafe erhalten, auf der anderen Seite bin ich aber auch froh, dass es unser Rechtssystem mit dieser Art der Verteidigung und der Strafverfolgung überhaupt gibt.