Rezension

Interessante Ausgangssituation, aber keine Spannung und nur ein vager Plot

Das Haus der roten Töchter - Kazuki Sakuraba

Das Haus der roten Töchter
von Kazuki Sakuraba

Bewertet mit 2 Sternen

Ich liebe Familiensagas und von dunklen Geheimnisse, die Generationen zurückreichen, kann ich nicht genug bekommen. Es gibt einige Autorinnen, die das Genre dominieren und die zugegebenermaßen auch zu meinen Lieblingen gehören, aber ich hatte große Lust, einmal etwas völlig Neues zu entdecken. Kazuki Sakurabas Roman "Das Haus der roten Töchter" hat mich deswegen wahnsinnig interessiert: Nicht nur, dass ich noch nie ein Buch von einer japanischen Schriftstellerin gelesen habe - auch der Klappentext, das Setting, einfach alles an diesem Roman fand ich von Anfang an spannend. Ich war begierig darauf, in eine völlig fremde Welt, eine ganz andere Kultur einzutauchen - und zumindest in dieser Hinsicht hat mich "Das Haus der roten Töchter" keinesfalls enttäuscht.

 

Was bereits auf den ersten Seiten auffällt, ist, dass Sakuraba den Fokus auf das Setting, den Ort Benimidori, aber auch auf die Kultur Japans und die gesellschaftliche Entwicklung von den 1950er Jahren bis heute legt. Sie reichert ihre Geschichte mit unheimlich vielen Fakten an und legt großen Wert darauf, das Lebensgefühl verschiedener Generationen im ländlichen Japan zu vermitteln. Und das funktioniert eigentlich auch ganz gut, denn für jemanden wie mich, der in Bezug auf die japanische Kultur allerhöchstens rudimentäre Kenntnisse hat, gibt es in dieser Geschichte wahnsinnig viel zu entdecken. Von längst vergessenen Dynastien und einer erst aufstrebenden und dann allmählich untergehenden Wirtschaft über die rebellische Jugendkultur in den 1960er und 1970er Jahren bis hin zur Sternstunde der Mangas und Animes. Gewissermaßen bietet "Das Haus der roten Töchter" einen Querschnitt durch alle gesellschaftlichen Schichten und durch das Leben in Japan in den letzten 60 Jahren. 

 

Es gibt wirklich einiges, das mich an Sakurabas Geschichte fasziniert hat. Allerdings (und leider ist es genau das, was es mir so unheimlich schwer gemacht hat, das Buch zu lesen und am Ball zu bleiben) hatte ich das Gefühl, dass Sakurabas Fokus auf Detailgenauigkeit zwei ganz wesentliche Dinge hinten runter fallen lässt: Die Handlung und die Figuren. Beides bleibt, so zumindest habe ich es beim Lesen empfunden, von Anfang bis Ende vage. Ein Begriff, der sich mir beim Lesen von "Das Haus der roten Töchter" immer wieder regelrecht aufgedrängt hat, ist: Beiläufig. Beinahe alles an dieser Geschichte wirkt beiläufig, nichts und niemand scheint richtig im Mittelpunkt zu stehen. Im ersten Teil des Romans ist es Manyo, über deren Alltag man zwar einiges erfährt, deren Gefühls- und Gedankenwelt dem Leser aber ebenso verborgen bleibt wie die aller anderen Figuren in diesem Buch.

 

Ich hatte durchgehend das Gefühl, als Leser durchs Schlüsselloch zu schauen. Oder vielleicht, ein stiller Beobachter vom Gipfel eines hohen Berges zu sein, der das undurchsichtige Treiben in der Stadt darunter beobachtet und sich nicht viel dabei denken kann, weil er einfach zu wenig sieht. Es gab so viele Begebenheiten, bei denen ich dachte: Jetzt geht´s los, jetzt kommt die Handlung ins Rollen. Aber sie kam es nie. Immer wieder werden Puzzlestücke aufgenommen und kurz näher betrachtet, bevor sie wieder fallen gelassen werden. Und am Ende will sich das große Ganze einfach nicht zusammensetzen. Die verschiedenen Handlungsstränge bleiben lose Fäden, weigern sich fast schon standhaft, sich miteinander zu verbinden und haben mich ein ums andere Mal ratlos zurückgelassen.

 

Schon nach den ersten 100 Seiten fiel es mir deshalb unheimlich schwer, das Buch nicht beiseite zu legen. Ich habe mehrere Wochen gebraucht, um es zu Ende zu lesen und habe oftmals nur wenige Seiten am Abend gelesen. Einfach weil der Handlung in meinen Augen jeglicher Spannungsbogen fehlt, weil es auch keinen roten Faden oder Fixpunkt und auch kein Ziel gibt, auf welches das alles hinausläuft. Da auch die zahlreichen Figuren, die die Geschichte eigentlich spannend hätten machen können, durchgehend blass bleiben und man sozusagen fast ausschließlich das Augenscheinliche über sie erfährt, konnte ich einfach keinen Bezug zur Geschichte herstellen. Ich konnte mich einfach nicht in die Figuren hineindenken und konnte eigentlich auch für die Handlung kein wirkliches Interesse aufbringen. Möglicherweise liegt das zum Teil auch an Sakurabas recht eigenem Schreibstil, der vor allem beschreibend und wenig emotional ist, und auch an der ein oder anderen spürbaren Hürde, die es bei der Übersetzung gegeben zu haben scheint. Insgesamt war "Das Haus der roten Töchter" schlicht und ergreifend nicht das richtige Buch für mich.

Mein Fazit
Kazuki Sakuraba schafft in "Das Haus der roten Töchter" ohne Zweifel eine interessante Ausgangssituation und sie gibt dem Leser mit ihrem Roman einen umfassenden und sehr detailreichen Einblick in die japanische Geschichte und Kultur. Allerdings bleiben Plot und Figuren dabei leider auf der Strecke. Mir fehlten an dieser Geschichte nicht nur der Spannungsbogen und ein erkennbarer roter Faden, sondern auch sehr schmerzlich eine Nähe zu den Charakteren. Ich habe mich stellenweise durch das Buch geschleppt und kann auch am Ende nicht viel anfangen mit Sakurabas Geschichte, obwohl es wie gesagt zahlreiche Begebenheiten mit Potenzial gab. Am Ende ist "Das Haus der roten Töchter" leider überhaupt nichts für mich.