Rezension

Interessante Autobiografie einer starken Frau

Une vie
von Simone Veil

Bei diesem Buch handelt es sich um die Autobiografie der Französin Simone Veil (1927 - 2017), die mit sechzehn Jahren nach Auschwitz deportiert wurde, überlebte und später unter anderem französische Gesundheitsministerin und Präsidentin des Europäischen Parlamentes wurde.

Tatsächlich nehmen die Deportation und Auschwitz nur ein Kapitel von elf ein, der Großteil ihres Buches konzentriert sich eher auf ihre politische Karriere. Wer also mit Politik wenig anfangen kann, der dürfte seine Schwierigkeiten mit dieser Autobiografie haben. Wer auch sonst an entsprechenden Entwicklungen interessiert ist, dürfte hier dagegen eine definitiv beeindruckende Lebensgeschichte finden.

Der*die Leser*in folgt den wichtigsten Etappen ihres Lebens von einer glücklichen Kindheit in einer jüdischen, allerdings nicht sonderlich religiösen Familie über den Holocaust und dem Wiederanfang in Frankreich hin zu dem Sitz in der Regierung, der Präsidenschaft des Europarlaments und schließlich der Mitgliedschaft im französischen Verfassungsrat in den 2000ern. In dem Buch sind dabei auch die wichtigsten Reden von ihr und einige Fotos abgedruckt.

Der Teil, in dem sie davon erzählt, wie sie in Auschwitz-Birkenau war, ist nur ein kleiner Teil des Buches, dennoch ist er ungemein erschütternd, schockierend und bewegend. Simone Veil verlor den Großteil ihrer Familie, überlebte selbst den Todesmarsch und nach Birkenau auch Bergen-Belsen und kehrte schließlich nach Frankreich zurück. Neben ihrer Erzählung nimmt sich auch Bezug auf Politik und Gesellschaft in der Zeit, beispielsweise in Bezug auf die Kollaboration Frankreichs.

Ich stimme nicht mit allen ihrer politischen Ansichten überein, dennoch war ihre Meinung immer interessant. Zudem ist sie an sich auch einfach eine ziemlich beeindruckende Frau gewesen - und auch eine Feministin. Auch wenn ich zum Beispiel nicht in ihrer Betonung der Unterschiede zwischen Männern und Frauen mitgehen würde, hat sie sich gerade in ihren späteren Lebensjahren für die Gleichberechtigung der Geschlechter eingesetzt.
Generell war sie eine starke Frau, die für ihre Vorstellungen kämpfte und voll und ganz zu ihren Ansichten stand. Sie hat Politik und Recht studiert und wurde dann Juristin. Trotz Kindern und obwohl ihr Mann eigentlich dagegen war, hat sie ihren Willen durchgesetzt und Vollzeit gearbeitet - in den 50ern. Abgesehen von dem ersten Kapitel, das sie ihrer Kindheit gewidmet hat, erzählt sie sonst im Übrigen fast gar nichts über ihr Privat- und Familienleben.

Sie war eine der ersten Frauen, die in Frankreich einen Ministerposten übernahmen, und die erste Präsidentin des Europäischen Parlamentes. Sie ist überzeugte Europäerin gewesen, die die EU voranbringen wollte.
Als Gesundheitsministerin setzte sie 1975 ein Gesetz durch, das den Schwangerschaftsabbruch in Frankreich legalisierte, der bis dato sogar mit dem Tod bestraft werden konnte. Das ist ein Thema, das traurigerweise immer noch aktuell ist, wenn man sich die aktuellen Entwicklungen in den USA anschaut - aber auch in Deutschland.

Simone Veil beschränkt sich auf die wesentlichen Etappen ihres Lebens, nimmt aber zum Beispiel auch Stellung zu den Jugoslawienkriegen und dem Fall der Berliner Mauer. Gerade auch ihre Betrachtungen zur Europäisierung und dann dem zunehmend wieder stärker werdenden Nationalismus im 21. Jahrhundert haben auch heute noch traurige Relevanz.

Fazit: Eine interessante Autobiografie einer starken Frau, die Auschwitz überlebte, für ihre Vorstellungen eintrat und in dem Buch auch ihre politischen Ansichten zu verschiedenen Themen reflektiert. Als französische Gesundheitsministerin legalisierte sie Schwangerschaftsabbrüche und als erste Präsidentin des Europäischen Parlamentes kämpfte sie für die Idee eines vereinten Europas - viele der angesprochenen Themen sind noch heute relevant.