Rezension

Interessante Hintergründe, leider aber etwas zäh aufbereitet

Roter April - Santiago Roncagliolo

Roter April
von Santiago Roncagliolo

Zum Inhalt: Der Roman „Roter April“ des peruanischen Autors Santiago Roncagliolo spielt in Ayacucho, der Stadt in Peru, von der sich in den Siebziger Jahren das Terrorregime des Leuchtenden Pfads, der Kommunistischen Partei Perus, ausbreitete.
Der Protagonist, Staatsanwalt Chacaltana kehrt, nachdem er über 20 Jahre in Lima gelebt hat, in seine  Heimatstadt zurück, um nach so vielen Jahren wieder seiner Mutter nahe sein zu können. Dass diese bereits starb, als Chacaltana seine Heimatstadt als Kind verließ, stellt für den Anwalt keinen Widerspruch dar.
Die bislang größte Herausforderung seiner beruflichen Karriere stellt sich dem überzeugten Paragraphenreiter Chacaltana, als eine verbrannte und verstümmelte Leiche aufgefunden wird und sich die Hinweise zu mehren beginnen, dass dieses Verbrechen mit der Handschrift des als besiegt geglaubten Terrorismus in der Region unterzeichnet ist.
Chacaltana, stets bedacht auf die „effiziente Kommunikation zwischen den Behörden“ und voller Sorge, in seinem bisher größten Fall die Erwartungen der örtlichen Polizei, der Vertreter der Militärregierung und der übrigen Gerichtsbarkeit nicht zu erfüllen, sieht sich mit der Tatsache konfrontiert, dass niemand Interesse daran hat, über das Verbrechen und die Zeichen der Terroristen zu reden, geschweige denn ihre Existenz öffentlich machen zu wollen und weitere Nachforschungen anzustellen. Ein bleierner Mantel des Schweigens wird über die Geschehnisse gebreitet und Chacaltana findet sich in seiner Arbeit offensichtlich behindert wieder.
Daran ändert sich auch nichts, als weitere Morde begangen werden und sich in der Karwoche vor Ostern, in einem Rausch aus Kriminalität, terroristischen Übergriffen und religiösen Blutritualen, die Spirale der Gewalt immer enger dreht.

Eigene Meinung: Das Wort „zähflüssig“ beschreibt wohl mein Lesegefühl während der 333 Seiten, auf denen ich die Geschehnisse um Staatsanwalt Chacaltana verfolgt habe, am treffendsten. Zunächst fand ich es noch sehr interessant, über die jüngere Geschichte Perus, das Terrorregime des Leuchtenden Pfades und die daraus resultierende innenpolitische Situation, geprägt von Angst, Korruption und Erstarren - eine Thematik,  mit der ich mich bislang noch nicht auseinandergesetzt hatte - zu erfahren. Doch leider hat dieser Aspekt allein nicht ausgereicht, um die mitunter recht schleppende Handlung und die für mich zu uneindeutige Definition der unterschiedlichen Personen und ihrer unterschiedlichen Interessen auszugleichen.
Die Problematik begann für mich schon beim Protagonisten, dem Staatsanwalt Chacaltana. Er wird als schwacher Charakter beschrieben, jemand, der sich schwer tut, Vergewaltigung innerhalb der Ehe als Verbrechen anzuerkennen, da die ihm vorliegenden Gesetzestexte dies nicht eindeutig als solches definieren. Sowohl seine privaten Motive, in seine Heimat zurück zu kehren, als auch seine beruflichen Ziele – seinen ersten nennenswerten Fall aufklären und sich damit einen Namen machen, oder sich doch hinter verklausuliert geschriebenen und letzten Endes alles vertuschenden Berichten verstecken, um mit niemandem in Konflikt zu geraten - blieben für mich über  weite Strecken des Buches undurchsichtig und machten es mir nicht möglich, eine inhaltliche Orientierung innerhalb der Geschichte zu finden.
Gleiches gilt für die unterschiedlichen Personen, die die Posten der Staatsgewalt und des Militärs besetzen – es blieb unklar, wer sich wo positioniert und auf wessen Seite steht. Im Kontext der Handlung ist dies vermutlich vom Autor auch so beabsichtigt, ließ für mich die Lektüre jedoch ohne greifbaren Zugang bleiben.
Das Buch wird – je nach Auflage und Quelle – als Roman oder Thriller gehandelt. Als Thriller, oder auch Politthriller würde ich es jedoch ganz sicher nicht bezeichnen, da Spannung – und auch hier nur zögerlich – erst auf den letzten Seiten aufkam. Daran änderte auch die oftmals sehr detailreich beschriebene Brutalität der geschilderten Morde nichts. Die Verknüpfung mit blutig-religiösen Ritualen – der Autor lässt die Handlung in der Karwoche in Ayacucho geschehen, inmitten einer mystisch-religiösen, mehrere Tage anhaltenden und mitunter recht morbide dargestellten Osterprozession, sowie eingestreute Kapitel, in denen (vermutlich der Mörder) seine von religiösen Vorstellungen durchzogenen Todesphantasien niederschreibt, machten dabei den Text für mich noch schwerer greifbar und auf gewisse Art schwieriger zu lesen, brachten aber kein zusätzliches Spannungselement.
Hin und wieder gab es Abschnitte, in denen ich der Geschichte besser folgen und eine (fast) nachvollziehbare Entwicklung von Charakteren und Handlung beobachten konnte, aber insgesamt habe ich mich in vielen Kapiteln (die übrigens aus meiner Sicht zu lang sind und daher wenig Struktur in das Buch bringen) dazu zwingen müssen, weiter zu lesen und hatte einen Moment des Aufatmens, als ich das Buch nach der letzten Seite aus der Hand legen konnte.