Rezension

Interessante Idee mit einigen Schwachstellen

Wild Cards 01 - Das Spiel der Spiele - George R. R. Martin

Wild Cards, Die zweite Generation - Das Spiel der Spiele
von George R. R. Martin

Bewertet mit 4 Sternen

Eye-Candy: Auf dem Cover sieht man Lohengrin, einen der Charaktere. Wieso man ausgerechnet ihn hier darstellt, das weiß ich nicht. Aber wie cool wäre es, wenn man auf den weiteren Büchern immer eine andere Figur zeigen würde?

Inhalt:  Seit dem das Wild Cards Virus ausgebrochen ist, werden den Menschen willkürlich Karten zugespielt, die sie in vielschichtiger Art und Weise mutieren lassen. Wenn man Glück hat, zieht man ein Ass und bekommt übernatürliche Fähigkeiten, wie Fliegen oder sich in einen riesigen Schwarm Wespen verwandeln. Andere ziehen Joker, die sie physisch verändern, so kommt es, dass manch einer sechs Arme oder Ähnliches hat. Wer jedoch eine Pikdame zieht, der muss sterben …

Meine Meinung: Wenn ein Buch von neun Autoren geschrieben wird, kann es entweder sehr gut oder eher nicht so gut ausfallen. Hinten im Buch wird erklärt, welcher Autor, welche Charaktere erschaffen hat. Etwas schockierend war es für mich herauszufinden, dass George R. R. Martin, einer meiner Lieblingsautoren, keinen meiner Lieblingscharaktere erschaffen hat. 
In diesem Buch gibt es einen schier unausschöpfbaren Charakterpool. Für jeden ist da etwas Interessantes dabei. Das hübsche, nette Mädchen von neben an, der harte Rockstar, der Witzbold mit den flotten Sprüchen und und und … Bei so vielen Charakteren ist es nicht einfach den Überblick zu behalten. Noch schwieriger wird es, wenn diese Charaktere alle besondere Eigenschaften und noch einen Shownamen und einen Spitznamen haben. Nicht selten musste ich mir überlegen, wer denn nun wer war und wer in welcher Gruppe ist und wer mit wem noch mal auskommt. Dass dieser Aspekt gegen Ende des Buches sich noch einmal zugespitzt hat, war nicht gerade toll.
Es wird immer wieder aus der personalen Sicht von verschiedenen Charakteren erzählt, manche Charaktere kommen auch nicht wieder zu Wort. Das ist sehr schade, wenn man sich gerade für eine Person erwärmt hat und gerne bei ihr bleiben würde. Als gegen Mitte und Ende des Buches immer mehr Point of View Charaktere dazukamen, brummte mir der Schädel. Der Infodump, der aus allen Seiten hereinbrach, war mir einfach zu viel und irgendwann war ich so erschöpft, dass ich das Buch mal eben weglegen musste, um meine Gedanken zu sammeln. 
Sehr toll ist es, dass die Autoren auf Klischees größtenteils verzichten und man keine schwarz-weißen Charaktere hat. Toll ist auch, dass diese Charaktere eigene Geschichten haben. 
Die Idee und die Welt in diesem Buch haben mich bis zur Hälfte komplett überzeugt. Ab der Hälfte haben sie leider an Glaubwürdigkeit verloren, da mir einiges nicht logisch genug war. 
Dass die Castings-Show so gut dargestellt sein würde, das hätte ich nicht gedacht. Jeder kennt DSDS, Germany's Next Topmodel, Big Brother und wer weiß, was noch. Die Intrigen, die hier gesponnen werden, sind nicht nur sehr unterhaltsam, sondern wirken schon beinahe echt. Falsche Freundschaften, Lügen und Rücksichtslosigkeit, mehr Schein als Sein, das wurde alles sehr gut dargestellt. 
Die Missionen, die die Gruppen erfüllen müssen, waren einfallsreich und spannend, doch dann die Wende. Plötzlich geht es nicht mehr um die Castings Show, sondern um einen Bürgerkrieg in Ägypten. Natürlich erwartet man, dass irgendwann der Schwerpunkt umschwenkt, da Ägypten bereits am Anfang ein Thema ist. Allerdings denkt man nicht, dass das so urplötzlich passiert und das ohne wirklich einen triftigen Grund zu haben. 
Um nicht zu spoilern verrate ich mal so viel: Einige Charaktere machen sich auf den Weg nach Ägypten, da sie "echte" Helden sein wollen. Ist ja schön und gut, sehr nobel, wirklich. Aber lasst uns einen kurzen Moment überlegen. Kann man einfach so in ein Land und sich in die Politik dort einmischen? Als Nicht-Regierungsperson? Als Zivilist (unglaubliche Fähigkeiten hin oder her)? 
Hat das keine Auswirkungen? Darf man das einfach so und dann auch noch so öffentlich machen? 
Hier steckt viel Konfliktpotenzial, das leider nicht ausgeschöpft wird. Es ist halt so, dass die Charaktere das machen und der Leser muss sich damit zufriedengeben.
Die Schreibweisen der Autoren unterscheiden sich voneinander. Dennoch schreiben alle Autoren sehr flüssig und bildhaft, wobei ich hier meine Favoriten hatte.
In der Kürze liegt die Würze: Interessante Idee mit einem interessanten Setting; ungewöhnliche Charaktere, jedoch schwierig sie alle auseinanderzuhalten zu halten, bzw. sich die Namen zu merken; Konfliktpotenzial wird verschenkt
Bewertung: Die Idee und das Buch haben mir sehr gut gefallen, so gut, dass das Buch eigentlich mehr Punkte bekommen hätte, wenn nicht die zweite Hälfte und das Ende nicht so unzufrieden stellend gewesen wären, daher ♥♥♥♥ Herzchen.