Rezension

Interessanter Auftakt einer neuen Krimi-Reihe...

Eisige Tage - Alex Pohl

Eisige Tage
von Alex Pohl

Bewertet mit 3.5 Sternen

Winter in Leipzig, die Stadt erstarrt in Eiseskälte. In einem Auto am Elster-Saale-Kanal wird die steifgefrorene Leiche eines Anwalts gefunden. Was für die smarte Kommissarin Hanna Seiler und ihren starrköpfigen Kollegen Milo Novic zunächst nach einem Routine-Mordfall aussieht, entpuppt sich rasch als ein Dickicht krimineller Verstrickungen: Im Besitz des Toten finden sie skandalträchtiges Material, darunter das Foto eines minderjährigen Mädchens, das seit einer Woche vermisst wird. Während die Stadt im Schnee versinkt, müssen die Ermittler eine düstere Welt betreten, in der schon die Jüngsten gefährliche Spiele treiben…

In sechs Teile ist dieser Krimi gegliedert, betitelt mit eisigen Begriffen wie 'Erster Schnee', 'Graupelschauer', 'Gefrierpunkt'... Vorangestellt ist ein Prolog, am Ende steht ein Epilog. Untergliedert sind die eisigen Abschnitte in zahlreiche kurze Kapitel, jeweils mit Ort und Zeit überschrieben, was sich als sinnvoll erweist, da die häufigen Orts-, Zeit- und Perspektivwechsel bis zum Schluss schon recht verwirrend sind. Die Kürze der Kapitel sorgt gemeinsam mit dem nahezu süffigen Schreibstil für einen ungeheuren Leseflow, so dass es phasenweise schwerfällt, das Buch überhaupt noch aus der Hand zu legen.

Dieser Krimi ist der erste, den Alex Pohl unter seinem Klarnamen veröffentlicht hat. Zuvor hat er schon etliche Krimis und Thriller unter seinem Pseudonym L.C. Frey veröffentlicht. Gelesen habe ich davon bisher nur 'Die Schuld der Engel', ein Thriller, der mir bereits aufzeigte, dass der Autor wirklich schreiben kann. Deshalb habe ich mich sehr gefreut, als ich nun die Gelegenheit erhielt, mit 'Eisige Tage' den Reihen-Auftakt im Rahmen einer Leserunde zu lesen.

In der Vorweihnachtszeit stellt der Tod eines Anwalts die Kommissare Hanna Seiler und Milo Novic von der Leipziger Polizei vor eine große Aufgabe. Denn kaum beginnen sie zu ermitteln, entpuppt sich der Mord als die Spitze eines Eisbergs. Plötzich finden sich die Kommissare in einem Sumpf wieder von  Kindesmissbrauch, Kinderpornografie, dem Fall eines verschwundenen Mädchens, illegalem Waffenbesitz und der Russenmafia - da kommt schon etwas zusammen. Dabei schafft Alex Pohl eine ausgesprochen düstere und kalte Atmosphäre, die nur z.T. der eisigen Kälte im Dezember geschuldet ist.

Der Fall ist sehr verworren, und mit jeder neuen Erkenntnis wächst im Grunde die Anzahl der Fragezeichen. Doch irgendwie hatte ich hier den Eindruck, dass es zwar auch um die Ermittlungen geht, dass hier im Wesentlichen aber die Charaktere eingeführt werden sollen, die auch in den folgenden Bänden der Reihe eine Rolle spielen dürften. Jedenfalls punktete dieser Krimi für mich nicht durch Spannung, sondern lebte eher von der Verwirrung durch die ständigen Handlungs- und Zeitsprünge sowie durch die Besonderheiten der Charaktere.

Mit Hanna Seiler und Milo Novic hat Alex Pohl sehr gegensätzliche Kommissare zusammengeführt. Hanna ist seit dem Selbstmord ihres Mannes alleinerziehende Mutter eines neunjährigen Sohnes. Diese Doppelbelastung meistert sie in der Regel bisher ganz gut, hat aber das Gefühl, nicht immer allem gerecht zu werden. Etwas mysteriös erscheint ihre wie auch immer geartete Verbindung zum Kopf der russischen Mafia der Stadt, Onkel Iwanow. Durch Kontakte in vorherigen Fällen scheint Hanna Iwanow gegenüber verpflichtet zu sein - vielleicht auch mehr? Diese Frage löst sich in diesem Band jedenfalls nicht auf.

Milo Novic ist ein sehr spezieller Charakter, ein Einzelgänger mit emotionalen Schwächen. Er geht wenig auf andere Menschen ein, kann sich oftmals nicht vorstellen, wie er auf andere wirkt oder was seine Äußerungen bei seinem Gegenüber auslösen könnten. Er ist hochsensibel, versucht sich vor zu vielen und intensiven Reizen (Geräuschen, Gerüchen, visuellen Eindrücken) zu schützen und verschanzt sich am liebsten in seiner Wohnung, wo er stundenlang klassische Musik hört. Ob er nun in Richtung Asperger Syndrom einzuordnen ist oder ob seine Verhaltensbesonderheiten seiner Hochsensibilität bzw. traumatischen Kindheitserfahrungen zuzuordnen sind, kann ich bislang nicht abschließend beurteilen. Deutlich ist aber, dass Milo Novic Synästhektiker ist: er sieht Farben bei Gerüchen und bei Musik.

Als Ermittler tun sich Seiler und Novic in diesem Krimi m.E. noch nicht sonderlich hervor. Zwar zeigt Novic gelegentlich eine feine Intuition, aber letztlich kommen sie in dem Fall nur durch die Unterstützung Dritter voran. Vor allem der Pate Leipzigs, der Russe Iwanow, überrascht hier doch das ein oder andere Mal. In jedem Fall hat Alex Pohl mit diesem 'Bösewicht' einen interessanten Antagonsiten geschaffen, der sicher auch in den kommenden Bänden eine Rolle spielen wird. Gerade hinsichtlich der Russen-Mafia ist mir hier ein wenig zu klischeehaft gestrickt worden, aber die Reibungspunkte werden dadurch natürlich deutlich herausgestellt...

Dafür dass es sich hier 'nur' um einen Krimi handelt, gibt es hier überraschend viele recht brutale Szenen. Da darf man als Leser nicht empfindlich sein und muss die oben benannten Themen nebst reichlicher Gewaltszenen auch im Detail aushalten können. Dann aber wird man mit einem flüssig zu lesenden und interessanten Fall belohnt, der wirklich Lust macht auf die kommenden Folgen.

Alles in allem jedenfalls ein recht gelungener Auftakt zur neuen Krimi-Reihe, für den ich (aufgerundete) 3,5 Punkte vergebe...

© Parden