Rezension

Interessanter, historischer (Liebes-)Roman zum Geburtswesen in der Kriegszeit…

Aufbruch in ein neues Leben - Linda Winterberg

Aufbruch in ein neues Leben
von Linda Winterberg

Bewertet mit 4 Sternen

Interessanter, historischer (Liebes-)Roman zum Geburtswesen in der Kriegszeit…

Der historische Roman „Aufbruch in ein neues Leben“ Band 1 der Hebammen-Saga von Linda Winterberg ist am 12. Juli 2019 in der 2. Auflage im Aufbau Digital-Verlag erschienen und spielt in Berlin.

Edith, Margot und Luise treffen sich mit dem Beginn der Ausbildung zur Hebamme in Berlin und sind von Grund auf verschieden. Doch gemeinsam starten sie in ihr großes Abenteuer und geben sich gegenseitig Kraft und Halt, wobei jede ihr eigenes Päckchen zu tragen hat. Und auch wenn sie füreinander da sind, liegt vor ihnen eine schwierige Zeit, die geprägt ist von Elend und Armut, der Hoffnung auf Frieden und ihrem inneren Konflikt, ob es der richtige Weg ist, den sie gehen.

Zwei Tage habe ich für dieses Buch gebraucht, das mich am Ende zwar traurig, aber auch zuversichtlich zurücklässt.

Das Cover gefällt mir sehr. Es passt wunderbar zu dieser Geschichte und in dieses Genre.

Auch der Klappentext ist sehr gelungen. Er führt die Hauptfiguren und den Hauptkonflikt ein und vermittelt eine erste Stimmung. Mein Interesse wurde damit sofort geweckt und ich wollte das Buch unbedingt lesen.

Luise ist eine selbstbewusste, junge Frau, die in die Fußstapfen ihrer Oma treten und als Hebamme arbeiten will. Zwar hat sie schon jede Menge Erfahrung, doch möchte sie es noch weiter professionalisieren und dann als ausgebildete Hebamme zurück in ihre Heimat gehen. Doch dann kommt ihr die Liebe dazwischen und auch wenn sie weiß, dass sie damit ihre Ausbildung gefährdet, geht sie das Risiko ein und genießt die neuen Erfahrungen. Im Vordergrund steht aber immer die Ausbildung. Sehr schnell merkt man, wie viel Luise an diesem Job liegt und wie sie darin aufgeht. Luise ist Margot und Edith eine wirklich gute Freundin, redet ihnen gut zu und unterstützt sie. Dabei strahlt sie immer eine gewisse Zuversicht aus. Bis sie dann kurz nacheinander zwei eigene schwere Schicksalsschläge in die Tiefe reißen. Luise hat ein klares Ziel und arbeitet sehr aktiv darauf hin, nimmt alle Hürden, die ihr in den Weg gelegt werden und macht eine gelungene Entwicklung durch. Mir war sie sehr sympathisch und am Ende habe ich mit ihr mitgelitten.

Margot ist genau das Gegenteil zu Luise. Sie ist sehr ängstlich und pessimistisch. Durch eine Empfehlung darf sie ihren Traumberuf als Hebamme erlernen, doch schon den ersten Tag schafft sie nur mit Luises Hilfe. Man spürt sehr deutlich, dass Luise sich geborgen fühlen möchte und sich Liebe wünscht, doch genau dieses Need lässt sie ein Stück weit labil wirken und treibt sie in sehr unbedachte Situationen. Doch trotzdem empfand ich sie als aktiv und manchmal sogar kämpferisch, wenn es darum ging ihr Ziel zu erreichen. Gerade wenn es um ihre Familie ging bzw. deren Schutz ist sie über sich hinausgewachsen. Auch Luise entwickelt sich im Laufe der Handlung und wird deutlich selbstbewusster.

Edith ist von den Dreien die Selbstbewussteste. Durch eine ganz besondere Situation entscheidet sich Edith für die Ausbildung und nimmt dafür sogar in Kauf, von ihrer reichen Familie verstoßen zu werden. Sie weiß sehr genau, was sie will und lässt sich da auch nicht reinreden. Auch ihr Ziel ist klar und sie arbeitet sehr aktiv an dessen Erreichung. Edith macht ebenfalls eine Entwicklung durch, jedoch ist die für meinen Geschmack nicht so ausgeprägt wie bei den anderen Protagonistinnen.

Auch alle anderen Figuren mochte ich. Jede hatte ein Ziel und eine eigene Motivation. So haben alle in ihrer besonderen Art ein gelungenes Ganzes ergeben. Sie haben sich gegenseitig ergänzt und das Thema von verschiedenen Seiten beleuchtet.

Bei den drei Frauen (Hauptfiguren) hätte ich mir aber insgesamt noch mehr Tiefe gewünscht. Ein Großteil des Buches wird durch die Handlung bestimmt. Da hätte man der Figurenentwicklung noch mehr Raum geben können. 

Meine Lieblingsfigur war aber trotzdem Luise. Sie ist einfach sehr natürlich und echt.

Die Handlung fand ich im Großen und Ganzen auch gut. Es ist eine ansteigende Spannungskurve entwickelt worden, mit kleinen und größeren Konflikten. Für meinen Geschmack gab es aber auch Längen im Buch und die Szenen sind zum Teil recht monoton, d.h. die Handlung kommt nicht voran. Das habe ich insbesondere bei der sehr detaillierten Darstellung der vielen Geburten empfunden. Die Lebensumstände, die Einzelschicksale und die Zeit sind dagegen sehr eindrücklich thematisiert worden und strahlen eine gewisse Bedrücktheit/Schwere aus. Zum Ende hin nimmt die Handlung dann wieder an Fahrt auf und hat mich auch wieder gepackt. Dabei ist mir insbesondere Luisa’s Schicksal nahe gegangen. Das Ende hat mir gut gefallen. Auch wenn es recht traurig ist, endet es doch hoffnungsvoll.

Ganz besonders gefallen hat mir, wie die Frauen zusammengehalten haben und füreinander da waren, sich aber auch ehrlich die Meinung gesagt haben.

Die Settings fand ich gut. Insgesamt gesehen waren sie sehr abwechslungsreich und die Orte haben sehr gut zur Geschichte gepasst. Vor allem die krassen Gegensätze (Edith’s und Margot’s Zuhause) haben die Handlung verstärkt.

Aber wie liest sich das Buch nun?

Es sind 41 längere Kapitel, die in der 3. Person Singular im Präteritum in der personalen Erzählform geschrieben sind. Das hat mir gut gefallen, weil man so immer wusste, was in den verschiedenen Figuren vorging.

Der Schreibstil hat insgesamt meinen Geschmack getroffen. Die Geschichte ist sehr flüssig und bildreich geschrieben. Die Dialoge sind vom Ausdruck her passend zum Genre, jedoch könnten sie für mich persönlich noch etwas realistischer und umgangssprachlicher sein. Manche Dialoge sind schon noch sehr ausformuliert und wirken für mich dann mitunter etwas gestelzt, weil man so in der Regel nicht spricht. Die emotionale Ebene hätte ich mir auch noch etwas intensiver gewünscht, um noch mehr von der Handlung und den Figuren gefesselt zu sein. Dafür haben mir die Beschreibungen der Settings und die atmosphärischen Beschreibungen um so besser gefallen. Ich hatte immer ein Bild vor meinem inneren Auge und konnte mich gut in die Situationen hineindenken.

Mein Fazit nach 381 Seiten:

„Aufbruch in ein neues Leben“ zeigt sehr eindrucksvoll, welche verheerenden Folgen Krieg hatte, wie viel Menschen furchtbare Schicksale erleiden mussten und in welcher Armut und wie verwahrlost viele Bürger leben mussten. Es zeigt aber auch, dass die Hoffnung auf ein besseres Leben nie aufgegeben wurde und man sich an den kleinen positiven Momenten erfreut hat.

Wer einen interessanten, historischen (Liebes-)Roman sucht, der ab dem Jahr 1917 in Berlin spielt und die Themen „der Beruf der Hebamme in der vorherrschenden Zeit“ und „die Kriegszeit in Berlin“ verarbeitet, der dürfte mit diesem Roman gut beraten sein.

Von mir erhält dieses Buch eine Kaufempfehlung (4/5 Sternen), weil mich der Roman bewegt und zum Nachdenken angeregt hat. Die Schicksale dieser Zeit sind sehr eindrucksvoll dargestellt und die Verzweiflung der Menschen in dieser Zeit ist förmlich zu spüren. Ein halbes Sternchen ziehe ich ab für die durch mich empfundenen Längen/ monotone Geburtsszenen. Ein weiteres halbes Sternchen ziehe ich ab, weil das Potenzial der emotionalen Ebene meines Erachtens nicht gänzlich ausgeschöpft wurde.

Trotzdem ist es ein sehr gelungener Roman, den ich nur weiterempfehlen kann.

Vielen Dank an Linda Winterberg für diese Geschichte.