Rezension

Interessanter, vielschichtiger Allende-Roman.

Amandas Suche - Isabel Allende

Amandas Suche
von Isabel Allende

Bewertet mit 5 Sternen

Wer Schuld trägt, der ist unvergessen.

Ein ganz besonderes Mädchen war die junge Amanda Martin, die 15jährige, aufgeweckteTochter des Polizeidezernatchefs Bob Martin und seiner geschiedenen Frau Indiana Jackson. Sie lebte in San Francisco, wo ihre Mutter in einer Klinik Reiki-Behandlungen und Aromatherapien durchführte und der Vater sich bemühte, durch solide Ermittlungsarbeit das Verbrechen einer pulsierenden Großstadt im Zaum zu halten. Amandas scharfer Verstand oder ihre detektivischen Neigungen – vermutlich aber ein gelungener Mix aus Beidem – machten sie zur Spielleiterin einer faszinierenden Internet-Verknüpfung mit Namen „Ripper“, in der ein paar außergewöhnliche Jugendliche mit bemerkenswerten Eigenschaften und Neigungen sich zu einem Ermittlerteam zusammengefunden hatten, das über die Kontinente hinweg fiktive Verbrecherjagden im Netz veranstaltete. Als aktives Mitglied agierte sogar Amandas Großvater Blake Jackson als engagierter Ermittler innerhalb dieser abenteuerlichen Detektivrunde. Doch als plötzlich ein unbekannter Mörder seine Spuren hinterließ, welche sich als geplante Hinrichtungen eines Serientäters erwiesen, der seine Opfer mit perversen Hinweisen versah, brauchte die Internet-Gang keine fiktiven Konstruktionen mehr sondern wurde durch die blutige Realität aufs Äußerste gefordert, Bob Martin in seinen Ermittlungen zu unterstützen.

Als dann noch offensichtlich wurde, dass dieser perfide Fanatiker Amandas Mutter Indiana in seine Gewalt gebracht hatte, waren die Angst um sie und das Wissen um die Brutalität des Killers Grund genug für die „Ripper“ alle Möglichkeiten zu ergreifen, seine blutigen Pläne zu durchkreuzen.

Aber wo sollte man beginnen, wer war die Person, die mit allen Opfern Verbindung hatte, obwohl sich bei denen doch anscheinend nichts Gemeinsames fand und wo lag die Kontaktstelle zu Indiana? Ein undurchsichtiges, raffiniert ausgeklügeltes Verwirrspiel mußte seine Aufklärung finden und viel Zeit ließ der Mörder seinen Jägern nicht, denn Indianas Todeszeitpunkt schien bereits Bestimmung zu sein.

In gekonnter Vielfältigkeit vermischt Isabel Allende bekannte und neue Facetten in diesem Roman.

In der gewohnten Weise schafft sie es wieder in der ihr eigenen, reichhaltigen Sprache uns detaillierte und interessante Charaktere als Protagonisten anzubieten, die sich dem Leser so anschaulich präsentieren, dass sie sofort eine Fülle von Bildern auslösen und der Handlung Farbe und Authentizität verleihen. Skurilität und Humor ist bei ihnen zu finden - oder wie kann es sein, dass ein "normaler" Großvater mit Namen Blake im "Ripper"-Spiel zum Schergen Kabel wird oder eine kleine Lieblingskatze "Rettet-den-Thunfisch" genannt wird? Wie immer bei Frau Allende sind die Menschen, die sie für ihre Geschichten auswählt, nicht alltäglich, sind unverkennbar ihre Personen, deren von ihnen erlebtes Dasein selbst im Alltag etwas Besonderes hat. Das ist der Grund, warum man sie nicht vergißt, sich mit ihnen so intensiv identifizieren kann - oder sie mit gleicher Vehemenz ablehnt. Immer ist da ein starkes Gefühl, ganz gleich, wie man es erlebt.

Und dieses Mal verstrickt Frau Allende die Handelnden zusätzlich in eine intelligente, undurchsichtige Kriminalgeschichte, die dem Roman einen wachsenden Spannungsbogen verleiht, dem wir in atemloser Ungeduld folgen. In absolut professioneller, kunstvoller Manier bereitet sie den Weg für den Leser, der sich von geruhsamer, ausführlicher Schilderung in steigendem Maße in einem Furioso von Angst, Erwartung und Entsetzen befindet, das ihn ungeduldig auf ein Ende drängt, auch wenn er Erschütterndes befürchtet.

Mit der überbordenden Fülle der ihr eigenen Sprache nimmt Frau Allende den Leser mit in eine Welt, in der sie wieder einmal Zeugnis ihrer enormen Begabung zum phantasievollen Fabulieren und Erzählen mitreißender Geschichten ablegt, in denen man alles finden kann, was menschlich - und wie man hier erkennt - auch unmenschlich ist.

Mir hat der Roman sehr gut gefallen, ich liebe diesen Stil, der mir das Gefühl vermittelt, in eine unendliche, genußvolle Lesezeit einzutaucchen.