Rezension

Interessantes Debüt, das nicht ganz zu überzeugen vermag

Alles, was wir sind - Lara Prescott

Alles, was wir sind
von Lara Prescott

"Alles, was wir sind" von Lara Prescott ist durchaus interessant, konnte jedoch nicht voll überzeugen.

"Eine große Geschichte über geheime Heldinnen, die Kraft der Literatur und – die Liebe." So wird das Buch auf dem Einband beworben. Leider hält das Buch jedoch diese große Ankündigung nicht ganz ein.

Es handelt sich bei dem Leseexemplar um eine sehr hochwertige Ausgabe, bei der erkennbar sehr viel Liebe fürs Detail investiert wurde. Der Einband ist geprägt und mit einem durchsichtigen Schutzumschlag versehen, wodurch eine große Tiefe des Covers erreicht wird. Zudem befinden sich in einer Banderole zwei zusätzliche Heftchen. In einem kommt die Autorin Lara Prescott zu Wort und berichtet über ihre Gründe den Roman zu verfassen und ihre Recherchearbeit. Bei dem anderen handelt es sich um ein Notizbuch, in dem Gedanken zum Roman notiert werden können. Deutlich wird, dass die Autorin sehr weitreichend und gründlich recherchiert hat. Dadurch gelingt es ihr, in dem fiktiven Konstrukt ihres Romans auch viele tatsächlich recherchierte Zitate und Beschreibungen einfließen zu lassen. Für mich macht dies einen besonderen Reiz aus. Es handelt sich um wahre Begebenheiten der Literaturgeschichte. Ich habe für mich einiges neues Wissen erworben. "Damals glaubten wir noch, dass Bücher Waffen sein können - dass Literatur den Lauf der Geschichte ändern kann." Dieser Satz lässt die Hauptaussage des Romans deutlich werden. Von 1949 bis 1961 verfolgt der Leser aus zwei Perspektiven - Osten und Westen - die Bemühungen rund um den Roman" Doktor Shiwago" von Boris Pasternak. Die eine Seite, Russland, versucht die Fertigstellung und später dann die Veröffentlichung des Romans um jeden Preis zu verhindern. Die andere Seite, Amerika, versucht die Veröffentlichung um jeden Preis zu ermöglichen und dafür zu sorgen, dass der Roman auch in Russland eingeschmuggelt und dort gelesen wird. Im Fokus der Bestrebungen stehen zwei starke Frauen. Olga, die Geliebte von Boris Pasternak, wird für drei Jahre inhaftiert, um Druck auf ihn auszuüben und ihn vom Schreiben seines "antisowjetischen" Romans abzuhalten. Irina, Mitglied der CIA, soll mit allen Mitteln dafür Sorgen, dass der Roman nach seiner Fertigstellung veröffentlicht wird. Es ist durchaus interessant zu verfolgen, wie es den beiden Frauen über die Jahre ergeht. Leider ist der Schreibstil jedoch sehr nüchtern und wenig detailliert, so dass keine Emotionen entstehen konnten und es nicht möglich war, eine Sympathie für die Figuren zu entwickeln. Zudem ist nicht immer ganz klar, wer gerade spricht. Es wird zwar phasenweise aus Ich-Perspektive erzählt, jedoch mit einer Art 'kollektiven Ich', dies wirkt etwas befremdlich. Daneben wirkt das Buch teilweise so, als würde es künstlich in die Länge gezogen. Begebenheiten werden sehr detailliert ausgeschmückt und Nebenschauplätze eröffnet, die nicht in der Handlung voran bringen.
Was mir gut gefällt, sind einige der Stilmittel. Zum einen schreibt Olga einen Brief - genauer ein Geständnis - auf welchem im Verlauf des Romans immer wieder, wie ein roter Faden, zurück gekommen wird. Zum anderen sind die Kapitelüberschriften sehr originell. Sie weisen den Frauen verschiedene Rollen im Laufe der Jahre zu. Die vorangegangen Rollen werden dabei jeweils durchgestrichen aufgenommen und die aktuelle darunter aufgeführt.

"Eine große Geschichte über geheime Heldinnen"
Die dargestellten Frauen sind durchaus sehr stark und trauen sich vieles zu, wachsen im Lauf der Jahre über sich selbst hinaus. Dabei bringen sie große Opfer, um für ihre Sache zu kämpfen. Es handelt sich um durchaus interessante Charaktere, die auch sehr vielschichtig sein könnten. Die angelegten Figuren haben Potential, leider scheint dieses nicht voll ausgenutzt. Keine der Frauen, konnte mich als Heldin überzeugen.

"Eine große Geschichte über [...] die Kraft der Literatur"
Es wurde sehr gut herausgearbeitet, wie in der Zeit zwischen 1949 und 1961 versucht wurde über Literatur Einfluss zu nehmen. Das hat mir wirklich gut gefallen. Schön, wäre es noch gewesen, etwas mehr über "Doktor Shiwago" zu erfahren. Beispielsweise, indem Passagen aus dem Roman in dieses Werk mit aufgenommen worden wären oder erklärt wonder wäre, warum die Veröffentlichung um jeden Preis verhindert werden sollte. Insgesamt wurde jedoch die Kraft der Literatur gut deutlich.

"Eine große Geschichte über [...] die Liebe"
Es geht vor allem um die Liebesgeschichte von Boris Pasternak und Olga. Diese überdauert viele Jahre und auch einige große Schwierigkeiten. Auch hier hat die Handlung großes Potential, vermag es jedoch nicht, zu fesseln und mitreißen. Ja, der Liebe wird Raum gegeben und dies auch durchaus zu einem großen Teil. Aber eine 'große Geschichte' kam dennoch beim Lesen nicht rüber.

"Alles, was wir sind" von Lara Prescott ist ein Debütroman mit großem Potential, das leider nicht vollständig genutzt wurde. Propaganda, Krieg, Liebe, Literatur - viele Themen die hier durchaus angesprochen werden, dennoch vermag das Buch nicht zu fesseln und zu überzeugen. Es fehlt die Tiefgründigkeit, die Emotion, das Gefühl, als Leser mitgenommen zu werden. Empfehlen kann ich diesen Roman Lesern, die gern anspruchsvolle Werke lesen und die neugierig auf dieses Werk geworden sind, um sich selbst ein Bild zu machen, ob der große mediale Ruhm gerechtfertigt ist.