Rezension

"Irgendwann wirst du erkennen, dass manche Menschen nur leuchten, indem sie andere ins Dunkel schubsen."

Dunkelgrün fast schwarz - Mareike Fallwickl

Dunkelgrün fast schwarz
von Mareike Fallwickl

Bewertet mit 4 Sternen

Ein kleines Bergdorf wird zum Schauplatz einer großen Geschichte, die äußerst beklemmend ist und dem Leser auch einiges abverlangt. Nein, ich spreche hier nicht von Horror und Gewalt, sondern vielmehr von einer Intensität, die beim Lesen beinahe schmerzt. "Dunkelgrün fast schwarz" ist der Debütroman einer jungen Autorin, die einen ungewöhnlichen und beindruckenden Stil zeigt. Ihre Sprache trifft auf den Punkt und ist dabei sowohl poetisch bildhaft, als auch markig und provokant. Mareike Fallwickl findet hier Worte, die den Leser auf unterschiedlichste Weise bewegen. Und so ist man dieser Achterbahn der Gefühle ausgesetzt, gefangen im Sog der Geschichte, um letztendlich dann irgendwie verändert wieder entlassen zu werden. Man hat das Gefühl, ein Stück von sich selbst bei der Lektüre eingebüßt zu haben, denn dieser Roman ist unbequem, sperrig, hallt lange nach, kurzum es braucht eine Weile bis man sich davon erholt.

"Es ist wie mit allen Dingen, von denen wir uns wünschen, wir hätten sie nie erfahren, sie zersetzen unser Leben wie Säure."

Doch worum geht es eigentlich? Fallwickl zeigt in ihrem Roman ein vergiftetes Beziehungsgeflecht, beschreibt dessen Entstehung und die Auswirkungen auf die in ihm gefangenen Menschen. Konkret sind das hier Moritz, Johanna und Marie, die selbst zu Wort kommen sowie Raffael, der wohl die tragendste Rolle innehat aber niemals selbst spricht. Moritz und Raffael lernen sich als Kinder auf einem Spielplatz kennen und von diesem Moment an, sind sie Freunde. Doch diese sogenannte Freundschaft krankt von Anfang an, denn sie ist geprägt von Abhängigkeit, Kontrolle und Manipulation. Raffael lenkt, Moritz folgt. Marie, Moritz' Mutter erkennt die Gefahr zwar schon früh, findet aber keinen Weg, sie zu bannen. Als sich dann später noch die Außenseiterin Johanna zu den beiden mittlerweile herangewachsenen Jungen gesellt, verläuft die Geschichte in immer dunkleren Pfaden.

"Wenn du siebzehn bist, weißt du manchmal mehr als später mit fünzig, und doch nützt dieses Wissen dir nichts, weil dir der Rahmen fehlt, weil du es nicht einspannen kannst in den Kontext der Erfahrung."

Lässt man sich auf die Lektüre ein, so muss man wissen, dass die Autorin diese Geschichte keineswegs stringent erzählt. Vielmehr serviert sie viele kleine Puzzleteilchen, die sich der Leser zunächst sortieren und dann richtig zusammensetzen muss. Das vollständige Bild sieht man erst am Schluss und es ist die Summe aus allem: Verschiedene Blickwinkel, (falsche) Entscheidungen aus den vielleicht richtigen Beweggründen, Liebe, Angst, Kontrolle, Hass, Trauer, Wut, Seelenschmerz, Lügen und Worte, die nicht gesagt wurden.
Man kann und will sich nicht mit den Figuren in diesem Roman identifizieren und es gibt auch keine Sympathieträger, und doch kann man zumindest ansatzweise bekannte Muster erkennen, die sich womöglich auch schon einmal im eigenen Leben abgezeichnet haben. Natürlich nicht in diesem Ausmaß (hoffentlich nicht) aber da ist diese leise Stimme, die beständig flüstert und warnt. Jeder kennt Abhängigkeit und Kontrollverlust, womöglich hat man auch schon die Erfahrung machen müssen, dass Freundschaften oder Beziehungen nicht aus Liebe, Vertrauen und Respekt gewachsen sind, sondern aus niederen, falschen Gründen. Deshalb schmerzt die Lektüre ja auch so, stimmt traurig und lässt nachdenklich zurück.

"Keine Liebe war einsamer als jene, die unerwidert blieb."

Für mich war "Dunkelgrün fast schwarz" eine beeindruckende und faszinierende Lektüre, die mich sprachlich begeistert und noch lange beschäftigt hat. Gleichermaßen war es aber definitiv kein Lesevergnügen, sondern eher ein unbequemes und erschütterndes Leseerlebnis, das mich Kraft gekostet hat. Nun, auch das ist ein Indiz für ein gutes Buch.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 07. August 2019 um 18:50

Die große Schwäche des Romans, die ihn mir verdorben hat, ist aber, dass der Roman es so darstellt, als ob es gewisse Kinder gäbe, die schon "böse" auf die Welt kommen. Das finde ich a. absurd und b. sogar gefährliches Gedankengut.

yvy kommentierte am 08. August 2019 um 13:22

Ja, da hast du recht. Darüber habe ich bei der Lektüre tatsächlich gar nicht nachgedacht. :/