Rezension

Irland-Krimi voller unerwarteten Überraschungen

Lügenmauer - Barbara Bierach

Lügenmauer
von Barbara Bierach

Auch in Irland geschieht ein Mord doch nicht einfach so. Doch in diesem Fall liegt das Motiv tief in einem der dunkelsten Kapitel der irischen Geschichte verborgen. Ein religionskritischer Irland-Krimi vom feinsten.

Dreh- und Angelpunkt von Barbara Bierachs in Irland spielendem Regionalkrimi ist der Mord an einem Geistlichen. Relativ schnell deuten alle Anzeichen darauf, dass das Opfer Charles Fitzpatrick aufgrund von zutiefst unmoralischen Vergehen zur Strecke gebracht wurde. Herauszufinden wie tief seine Schuld wirklich reicht und wer sich letztendlich an ihm gerächt haben könnte, das ist die Aufgabe der Ermittlerin Emma Vaughan. Dabei kommt der Text mit erfrischend wenigen platten Klischees aus, obwohl natürlich einiges im Buch vorkommt was man sowieso schon über die grüne Insel weiß. Die Atmosphäre einer irischen Kleinstadt mit dem ganzen Dünkel und Dauerregen wurde im Text sehr gut eingefangen. Die Krimihandlung wird ergänzt durch Emmas eher schwieriges Privatleben. Die Polizistin ist eine sympatische und vielschichtige Figur die durchaus zahlreiche Schwächen hat, am augenfälligsten dabei ist ihre Abhängigkeit von Schmerzmitteln. Sie ist einfach sehr menschlich mit all ihren Problemen, aber eben auch eine richtig taffe Polizistin. Allen die starke weibliche Charaktere mögen empfehle ich dieses Buch deswegen besonders. 
Zudem gibt es einen zusätzlichen Handlungsstrang welcher in einem Altersheim spielt und den Leser sehr neugierig darauf macht wie denn alles letztendlich zusammenhängt. Der Schlüssel zum Motiv scheint die Vergewaltigung eines Mädchens in den 60er Jahren zu sein 
Insgesamt handelt es sich hier um einen soliden Krimi, dessen Besonderheit in seinem irischem Lokalkolorit besteht. Neben der eigentlichen Krimi-Handlung erfährt man beim Lesen zahlreiche interessante Details über Land und Leute. Das reicht vom wirtschaftlichem Aufschwung über Sagen und Legenden bis hin zur Sexualmoral. Beispielsweise sind Abtreibungen strikt verboten, außer wenn das Leben der Mutter akut in Gefahr ist. Dabei wird deutlich, wie genau die Autorin Barbara Bierach, die selbst am Ort der Handlung, Sligo, lebt, weiß wovon sie schreibt. Dass besonders einige dunklere Kapitel der irischen Geschichte sich perfekt für den Hintergrund eines Kriminalromans eignen versteht sich dabei von selbst. Die Lektüre dieses Irland-Krimis vermittelt jedenfalls viel von diesem Sehnsuchtsland. Dabei wird aber nichts beschönigt, sondern vielmehr ein durchaus realistisches und kritisches Bild mit allen Schattenseiten gezeichnet. 
Der Typ der Ermittlerin und vor allem die Figurenkonstellation erinnern an Ursula Poznanskis Krimis um Beatrice Kaspary und Florin Wenninger. Der Fall und dessen Auflösung hat etwas von Donna Leons "Venezianischem Finale". 
Die Sprache kann man als flott und flapsig beschreiben, was dem Buch eine gewisse Dynamik verleiht. Die Figuren sprechen so wie ihnen der Schnabel gewachsen ist und das wirkt insgesamt recht authentisch. Besonders Emmas aufbrausende Art wird durch ihre Schimpftiraden unterstrichen. Die Autorin versucht nicht künstlich irgendeine Art von irischem Akzent im Deutschen zu erzeugen, aber es kommt trotzdem rüber dass die Iren sich nicht der Hochsprache bedienen. 
Etwas wodurch das Buch meiner Meinung nach auch viel gewinnt ist seine relative Kürze, denn auf den 284 Seiten bleibt es spannend und es bleibt kein Raum für ermüdende Langeweile. Hierbei handelt es sich um den Erstling einer Reihe und ich sehe durchaus viel Potential für weitere Vaughan-Krimis.