Rezension

Isländer-Saga

Die Sturlungen - Einar Kárason

Die Sturlungen
von Einar Kárason

Bewertet mit 5 Sternen

Die Wikingerzeit interessiert mich schon länger und ich habe daher natürlich auch bereits einige Bücher zu dem Thema gelesen. Dieses aber ist besonders. Es handelt vom Aufstieg und Fall eines isländischen Clans, den Sturlungen. Die Isländer haben im Gegensatz zum Rest von Europa schon im Mittelalter einen sehr eigenen Kopf gehabt. Sie haben nämlich Bücher geschrieben und zwar in ihrer Landessprache. In einer Zeit, wo im Rest der Welt kaum jemand lesen und schreiben konnte, wo allenfalls in den Klöstern aufwendig religiöse Texte hergestellt und wenn überhaupt, dann auf Latein geschrieben wurde, wurden auf einer kleinen rauhen Insel ganze Sagas auf Isländisch bzw Altnordisch niedergeschrieben, wurde aus der mündlichen Überlieferung tatsächlich auch eine schriftliche. Und diesem Umstand verdanken wir auch die Texte über die Sturlungen, mehr noch, einer ihrer Anführer, genannt Skalden-Sturla, hat eine Chronik hinterlassen, die genauestens den Werdegang seiner Familie beschreibt.
Über zehn Jahre hat sich Einar Karason der Übertragung und Bearbeitung der Saga in eine modernisierte Form gewidmet. Und ich kann sagen, es war die Zeit wert! Mit Karasons Hilfe wird die Sturlungen-Zeit wieder lebendig, erlebt man Schlachten, Intrigen und Kämpfe hautnah. Man liest fassungslos vom Untergang Sturla Sighvatssons und fast seiner ganzen Sippschaft, hofft mit seinem Bruder Kakali auf einen Neuanfang, leidet mit Gissur nach dem grausamen Mord an seiner Familie.
Ständig wechselnde Perspektiven geben dem Leser eine Rundumsicht. Man muss sich allerdings auch an viele unterschiedliche Erzählstimmen gewöhnen. Die Vorteile überwiegen jedoch. Jede Stimme bringt eine eigene Sichtweise und Meinung mit, so dass man bei Kämpfen quasi in den Kopf beider Parteien schauen kann. Man erkennt schnell, wie Zwiste entstehen, wie Blutrache funktioniert, wenn man sie als gegebenes Muss akzeptiert hat, und dass Kämpfende auch damals schon unter posttraumatischen Belastungsstörungen litten. Allzu zimperlich darf man bei der Lektüre übrigens nicht sein: es rollen Köpfe und diverse andere Gliedmassen und auch in den wenigen Friedenszeiten war das Leben hart und opferreich.
Kristof Magnusson ist eine großartige Übersetzung ins Deutsche gelungen. Die einfache und doch melodische Sprache passt zu den beschriebenen Menschen, passt zu der Zeit und ist doch durchgängig flüssig lesbar. Dadurch habe ich die 827 Seiten schneller bewältigt als erwartet und mochte mich eigentlich noch gar nicht von dem Text lösen.
Insgesamt eine wirklich gelungene Neubearbeitung eines mittelalterlichen Stoffes, ein tiefer Einblick in isländisches Leben und Wirken zur Zeit der Wikinger und dabei unerwarteterweise spannend wie ein Abenteuerroman. Ganz fabelhaft!