Rezension

Ist es unanständig, in der privaten Post eines Anderen zu schnüffeln?

Der Widerstand der Materie
von Stanislaw Lem

Bewertet mit 5 Sternen

Ja, in höchstem Maße!

Und wenn diese Anstößigkeit der Parthas Verlag auf Deutsch veröffentlicht hat, was dann?

Dann ist das im höchsten Maße vergnüglich!

Die Rede ist hier vom Widerstand der Materie von Stanislaw Lem und es handelt sich dabei um ausgewählte Briefe von Lem an verschiedene Empfänger, wie zum Beispiel an seinen amerikanischen Übersetzer Michael Kandel, Marcel Reich-Ranicki, Ursula K. Le Guin, diverse polnische Ämter und viele mehr.
Am meisten aber habe ich mich auf die Korrespondenz mit Philip K. Dick gefreut, um dann festzustellen, daß Dick und Lem sich zum Schluß wohl nicht wirklich mehr verstanden haben.

Zitat von Dick:" Lem passt ohne Zweifel - ganz erschreckend - in die Kategorie der Androiden. Als ich Briefe von ihm erhielt, hatte ich zu keiner Zeit das Gefühl, am anderen Ende befände sich ein echter Mensch; ich spürte nur eine scheppernde, schrillende, klappernde Konstruktion und anfangs, als meine naiven Hoffnungen groß waren, eine Reise nach Polen zu machen usw., lief es mir sogar kalt den Rücken runter."

Dick beschuldigt Lem sogar der Betrügereien und äußert seiner Regierung gegenüber seine Bedenken, Lem sei ein Konvolut aus verschiedenen Personen, die die Absicht hegen, den Kommunismus nach Amerika zu bringen.

Aus diesen Streitereien wird ersichtlich, wie unterschiedlich die Arbeitsbedingungen der Schriftsteller in den verschiedenen Ländern war. In Dicks Äußerungen fehlt diese Einsicht und ein dezenter Hinweis auf seine (Dicks) schizophrenen Schübe infolge von Drogenmißbrauch, läßt uns diese Briefe aus heutiger Sicht eher mit Humor sehen.

Aber auch sonst wird in manchen Briefen deutlich, daß das Leben in Polen vor der "Solidarnosc" schwierig war. Lem jammert aber nicht, er kämpft mit der "Materie", wobei Materie hier für das System stehen könnte, aber auch mit den Problemen der Übersetzung seiner Werke in andere Sprachen.

Mit viel Humor gibt er Einblick in seine Gedankenwelt und die Beurteilung seiner Werke, aber auch die Werke anderer. Auf Seite 117 verrät er in einem Brief an Le Guin, daß Tolkiens Werk für ihn ein Schlafmittel ist. Weiter sagt er auf Seite 122, daß Thomas Mann ihn mit seinem unbesiegbaren und diamantfesten Olympiertum irritiert.

Ach, es gibt noch so viele Stellen, die ich zitieren könnte.... da lese ich lieber das Buch ein zweites Mal. Es war stellenweise schwierig, vor allem, wenn er über Literatur philosophiert hat, aber immer bereichernd!

Vielleicht zum Schluß noch ein kleiner Wehmutstropfen. Auf Seite 373 befindet Lem, daß die intellektuelle Qualität bei Frauen ANDERS ist als bei Männern, falls sie denn überhaupt vorhanden ist....

Also, Herr Lem, wenn dann meine Zeit gekommen ist, können wir uns, speziell über dieses Thema, posthum nochmal auseinandersetzen.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 02. September 2019 um 22:27

*kicher*