Rezension

Ist sehr spannend und stimmt nachdenklich

Wer war Alice
von T. R. Richmond

Bewertet mit 4 Sternen

Nachdem ich dieses Buch beendet hatte, musste ich das Gelesene erst einmal sacken lassen. Bei Wer war Alice handelt es sich nämlich keineswegs um einen Roman, welchen man mal eben schnell weg liest, sondern um eine Geschichte, die wahnsinnig viel an Tiefe zu bieten hat, sowie jede Menge Raum für die eigenen Gedanken lässt. Gerade dies liegt wahrscheinlich in der Absicht des Autors: Dass man selbst einmal überlegt, wie man in so einer Situation handelt, welchen Gerüchten man Glauben schenkt und welche Gerüchte sich vielleicht doch noch als Wahrheit herausstellen.
Außerdem zeigt der Autor ebenfalls das Problem der sozialen Medien auf: Man ist überall erreichbar und leicht zu orten, welches in manchen Situationen eben einfach nicht sicher, doch so selbstverständlich ist, dass man da nicht mehr weiter drüber nachdenkt.
Ich muss sagen, dass mir der Einstieg ein bisschen schwer fiel, denn das gesamte Buch ist anders aufgebaut, als man es gewohnt ist. Hier wird nicht einfach nur der Text runter geschrieben und ein paar Überraschungen eingebaut, sondern wir lesen viele Blogeinträge, private Tagebucheinträge der verstorbenen, sowie Emails, Zeitungsartikel und auch diverse Postings von Twitter. Gerade diese doch besondere Art des Aufbaus, hat mich an einigen Stellen etwas aus der Geschichte geworfen, da sich nicht nur die Medien, sondern ebenso die aktiven Figuren mit jedem Kapitel verändern. Dies wirkte auf mich ganz besonders am Anfang noch sehr abgehakt, mit der Zeit gewöhnte ich mich allerdings an diese besondere Art der Erzählung.

»[...] Das Leben ist wie Scrabble spielen, man darf seine guten Buchstaben nicht bunkern, man muss sie einsetzen, sobald man sie zieht.«
Zitat aus: "Wer war Alice"

Der Autor versteht es ausgezeichnet den Leser selbst wahnsinnig werden zu lassen, denn wenn man auf der einen Seite noch von einem Vergehen überzeugt war, denkt man auf der nächsten Seite schon wieder, dass sich Alice doch das Leben genommen hat. Man überlegt, versucht verzweifelt das Puzzle zusammen zu setzen, doch ständig greift man zu einem Teil, welches einfach nicht passen will. Ich habe mich dabei ertappt, dass ich selbst irgendwann nicht mehr wusste, wer denn jetzt überhaupt noch die Wahrheit sagt und wer einfach nur Gerüchte streut, um alles noch suspekter wirken zu lassen. Es war mir bis zuletzt überhaupt nicht klar, wie sich alles auflösen würde. Ich habe die gesamte Zeit über eine völlig falsche Ahnung gehabt, was natürlich sehr für den Autor spricht.
Eben weil ich nicht wusste, wohin das alles führen würde, habe ich förmlich an diesem Buch festgeklebt. Es war so spannend, dass ich es kaum aus der Hand legen konnte, schließlich machte mich die Frage, ob Alice "freiwillig" gestorben war, oder nicht, ganz wahnsinnig.
Nach meinem eher problematischen Start, konnte ich mich sehr gut in die Geschichte hineinversetzen und wurde am Ende eines Kapitels auch nicht mehr rausgeschmissen. Ich empfand es nach dieser kurzen Eingewöhnungsphase sogar als sehr gut gewählt, dass dieser Roman auf so eine andere Art und Weise strukturiert wurde. Es passte und setzte sich am Ende sehr gut zusammen. Wie schon gesagt, tappte ich bis zum Schluss im Dunkeln, allerdings empfinde ich die Auflösung, das Licht, welches schließlich doch noch erschien, als etwas zu dürftig. Die Erklärung war mir ein bisschen zu mau, was schon ein bisschen enttäuschend ist, allerdings nichts daran ändert, dass es sich bei Wer war Alice um einen außerordentlich guten Roman handelt.

Fazit:
Wer war Alice braucht eine Weile, bis es so richtig in Fahrt kommt. Zuerst muss man sich an die ziemlich besondere Struktur gewöhnen, aber sobald man dies hinter sich gelassen hat, treibt man nur so durch die durchaus sehr spannende Geschichte. Das Ergebnis fiel mir leider etwas zu dürftig aus, doch das ändert nichts daran, dass ich diesen Roman weiterempfehlen kann und werde.
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