Rezension

"Its simple but not easy!"

Parallelwelten - Jenifer Girke

Parallelwelten
von Jenifer Girke

Bewertet mit 4.5 Sternen

"Was mache ich nur, wenn sie sich nicht beruhigen lässt? 3.15 Uhr. Mit tiefen Stirnfalten nicke ich von Sorgen geplagt ein. Das Licht an. Mein Smartphone noch in der Hand. /.../ Ein ganz normaler Samstag eben. Zumindest für mich. Die ihre Müdigkeit zwar sieht, die müden Augen, die schwachen Glieder, die manchmal zu erschöpft sind, um vor dem Schlafengehen noch die Zähne zu putzen, sich aber trotzdem keine Pause gönnt. Wäre ich jemand anderes, würde ich mir gut zureden, zu entspannen, ein paar Gänge runterzuschalten, mir eine Auszeit zu nehmen. Entschleunigung. Kraft tanken. Einfach mal die Augen zu. Aber bei mir laufen die Dinge anders. Ich bin eben ich. Ich muss funktionieren."

 

 

Die junge Jenifer Girke ist ein aufstrebendes, begehrtes Elitemädchen. Ihr Karriereweg scheint vorgezeichnet. Jung, sexy, erfolgreich. Unermüdlich stürzt sie sich in ihre Arbeit als Journalistin und strotzt dem alltäglichen Wahnsinn, dem Dauerstress und ihrem anhaltenden Schlafmangel.

Doch wie lange wird sie in einer (Arbeits-)Welt, die mehr Schein als Sein ist und Höchstleistungen ohne Limit erwartet, bestehen können? Wird sie ihren Traum und ihre Visionen, sich für Menschen einzusetzen, die eine Stimme brauchen, aufgeben, um dafür am Fließband lieber Themen zu recherchieren und zu veröffentlichen, die genügend Klicks und Likes bringen? Und welche Rolle spielt sie in ihrem Leben? Welche Rolle spielen wir?   

 

"Leistungsdruck, Optimierungswahn. Der Erfolg, dem wir nachlaufen, hat seinen Preis."  

Das merkt auch die Autorin. Gefangen in einer Parallelwelt - wie so viele von uns, die oft am Abgrund auf einem ziemlichen schmalen Grat zwischen Familie und Job jonglieren müssen. Die zwar erfolgreich sind und viel Geld verdienen, aber keine Zeit haben es auszugeben und abends totmüde und unglücklich ins Bett fallen. Was ist der Sinn des Lebens? Warum tun wir uns das an? Und wie kann man es schaffen, seine Rolle in diesem Spiel zu erkennen, zu akzeptieren und (vielleicht sogar) etwas zu ändern? 

 

Die Autorin eröffnet dem Leser mit ihrem autobiographischen Buch "Parallelwelten" - in 19 Kapiteln auf 253 Seiten - einen Blick hinter die Kulissen. Man erfährt viel über sie und ihre Familie, wie sie zu dem geworden ist, was sie heute ist und darüber, wie sie ihren Weg gegangen ist und immer noch geht. Dabei bleibt sie offen und authentisch - nicht alles geht steil bergan - es gibt Sackgassen, Umwege und auch (nicht immer ganz freiwillige) Pausen. 

Ihr Schreibstil ist leicht und flüssig zu lesen, (manchmal sehr) direkt und auch der schwarze Humor kommt nicht zu kurz. 

Das Buch wurde in seiner Erstauflage im März 2018 als Taschenbuch mit nach innen geklappten Umschlägen (Klappenbroschur) im ADEO-Verlag veröffentlicht. Auf dem Cover ist das Konterfei der Autorin - ihr Portrait vor einem dunklen Hintergrund. Da das Buch autobiographisch ist, finde ich das eine sehr schöne Idee. Vor allem, weil die Autorin so auch offen Stellung bezieht und zu ihrer Geschichte steht. Das ist nicht immer selbstverständlich. Gerade wenn man in der Öffentlichkeit steht.     

 

Was mir besonders gut an diesem Buch gefällt, ist, dass es so ist wie es ist. Für mich erscheint die Geschichte nicht geschönt oder konstruiert, wie das bei autobiographischen Hintergründen gern der Fall ist. Es gibt sehr traurige, berührende Momente, aber auch wunderschöne und lustige Erinnerungen. Manchmal musste ich beim Lesen kurz innehalten und habe überlegt, ob die Autorin, gerade bei ihrem Vater, manchmal etwas zu rücksichtsvoll in ihren Aussagen ist. Aber am Ende spürt man ihre aufrichtige Vergebung und ihr Vertrauen auf Gott und in sich. Das hat mich sehr beeindruckt. 

Es gibt auch Dinge, die ich gern für mich mitnehmen möchte: achtsamer zu sein, besser auf mich aufzupassen, mit den drei Ws zu schauen was mir gut tut. Eine gelungene Zusammenfassung ist dafür auch das letzte Kapitel im Buch: Zehn Regeln für Maskenträger. 

 

 

Fazit: 

"It`s simple but not easy!" 

Es geht nicht (nur) um das Ziel, sondern um den Weg. Das Leben ist keine Einbahnstraße, bei der man zwischen "Richtig" und "Falsch" entscheiden muss. 

Ein offener, authentischer Lebensbericht, der Mut und Hoffnung macht sich (auch in schweren Zeiten) treu zu bleiben. 

Von mir bekommt das Buch verdiente 4,5 von 5 möglichen Sternen und meine Leseempfehlung!