Rezension

Ja, wahrlich ein kleines Mäuschen

Transitmaus -

Transitmaus
von Eva Sichelschmidt

Bewertet mit 4 Sternen

Die Erzählstimme in Eva Sichelschmidts Roman „Transitmaus“ möchte ihrer drögen Heimat entfliehen, möchte etwas Neues, möchte etwas Modernes, möchte weg aus dem Ruhrgebiet, möchte weg von einem traumatischen Geschehen. Sie wählt sich als neues Ziel das schillernde West-Berlin aus, eine interessante Wahl, war doch diese Enklave ein Ziel von interessanten Leuten und auch dadurch bildete sich dort eine ganz eigene Art von kulturellem und auch politischem Leben. Somit klingt das neue Buch von Eva Sichelschmidt doch sehr interessant. Und wieder fangen mich hier meine Erwartungshaltungen ein. Denn leider ist dieses West-Berliner Leben hier nur sekundär. Das Hauptaugenmerk liegt in „Transitmaus“ auf der naiven Erzählstimme, diesem Mäuschen. Eine Erzählstimme, die mir mehr und mehr auf den Nerv geht. Dennoch ist dieses Buch gut geschrieben, es ist nie langweilig. Nur diese junge Frau nervt mich ungemein. Vielleicht waren es in der letzten Zeit einfach zu viele Coming of Age Romane. Vielleicht triggert mich dieses Naive. Sicher eine Mischung aus beidem. Denn getroffen wurde dieser Charakter von Eva Sichelschmidt grandios. Ihre Unsicherheiten, ihre Fluchtgründe, ihre einfachen Sichten, dieses Verstecken bei Männern, dieses vor sich hinleben ohne Ziel. Einen Teil kennt man aus der eigenen Findung, selbst möchte man ja ganz anders gewesen sein, doch ob das die Personen der damaligen Zeit auch sagen würden?! Nun gut. Von daher ist dieses Finden gut getroffen, obwohl ich hier ein Finden wollen etwas vermisse. Denn ein Wollen erkennt man bei der Transitmaus wenig. Ihr Weggang aus dem Ruhrgebiet war ein Wollen. Ansonsten finde ich wenig Wollen, sondern eher ein Treiben lassen, ein Vertrauen in die Liebe, welches letztendlich umsonst war, wie bei vielen anderen Menschen. Die Gründe der Flucht aus dem Ruhrgebiet offenbaren sich nach und nach und auch dadurch drängt ein gewisses traumatisches Erleben der Erzählstimme in den Vordergrund, doch letztlich kann man der Erzählstimme und ihren Erinnerungen auch nicht immer trauen. Obwohl man auch vermuten könnte, dass diese Erinnerungen schon von der Transitmaus erträglicher gemacht wurden. Und deshalb kann man dieser Transitmaus nur wünschen, dass alles ertragbarer für sie wird, nach und nach. Was sich ja irgendwie abzeichnet.