Rezension

Jahrhundertwerk???

Parallelgeschichten - Péter Nádas

Parallelgeschichten
von Péter Nádas

Bewertet mit 2.5 Sternen

Falls es so etwas wie einen roten Faden oder einen Mittelpunkt gibt, ist der vielleicht am ehesten bei der Familie Lehr aus Budapest zu finden. Professor Lehr, frührer Berater der Nazis, jetzt der Kommunisten, liegt im Sterben. Seine unglückliche Ehefrau Erna trauert der Liebe zu einer Niederländerin nach, die einzige Tochter wurde verschleppt und tauchte nie wieder auf und Agóst, der einige Sohn, lebt seit seiner Rückkehr aus dem Ausland, wo er als Spion arbeitete, mit seiner momentanen Freundin Gyöngyver wieder daheim. Dazu kommt noch Kristof, der Neffe Ernas, dessen Mutter mit einer Frau nach Paris verschwand und dessen Vater von seinen Genossen hingerichtet wurde. Er träumt von Erlebnissen mit Männern, traut sich aber kaum, diese Träume auch zu verwirklichen. Gyöngyver träumt von einer Karriere als Sängerin, bisher aber recht erfolglos und fühlt sich erstaunlicherweise von Erna angezogen, wie auch andersherum. Dann gibt es noch Agósts Freunde, von denen aus eine Verbindung ins Dritte Reich besteht, die ebenfalls erzählt wird. Ernas Kartenrunde, ein deutsches KZ mit Wärtern und Aufsehern, deren Nachkommen ebenfalls eine Rolle spielen undundund. Dies könnten alles wirklich spannende und unterhaltende Geschichten sein, wenn Nádas nicht so unglaublich langatmig erzählen würde. 50 Seiten über einen Geschlechtsakt, der weder unterhaltsam noch erotisch ist sondern schlicht sachlich technisch und unterkühlt. Seitenlange Pseudobeziehungsgespräche oder Selbstreflexionen, die ohne Ergebnis enden - 700 bis 800 Seiten weniger hätten dem Buch sicherlich gut getan.
Dass Nádas jedoch gut erzählen kann, merkt man auch in diesem Mammutwälzer: Einzelne Kapitel sind packend und fesselnd erzählt und immer wieder kommt es vor, dass man vor Spannung oder Abscheu die Luft anhält. Leider viel zu selten.
Zuguterletzt kann ich nur noch schreiben dass ich hoffe, dass der Autor nicht dieselbe Überzeugung hat, die dieses Buch mir vermittelt. Dass die Menschen grundsätzlich triebhafte Lebewesen sind, die nur durch Zwänge von außen bzw. selbstauferlegte unter Kontrolle zu halten sind. Fallen diese Zwänge weg, bricht das Animalische aus, dass sich ansonsten nur beim Sex oder diesen vielfach beschriebenen Verdauungstätigkeiten einen Weg bahnt. Und dieses Animalische endet dann in einer Katastrophe, wie uns das Schicksal Balters im letzten Kapitel zeigt, oder beispielsweise die Geschichte der Juden im Dritten Reich. Denn machten sich die Nazis nicht frei? Arbeit macht frei?