Rezension

"Jede Familie hat ihren eigenen Rucksack zu tragen"

Alles Liebe - André Dietz, Shari Dietz

Alles Liebe
von André Dietz Shari Dietz

Bewertet mit 4 Sternen

In diesem Buch wird das stressige und komplizierte, aber keinesfalls unmögliche Familienleben der 6-köpfigen Familie mit einem eigenem Haus und Hund, im Rahmen einer Biografie vorgestellt.

André und Shari Dietz haben es in ihrem Leben nicht immer leicht gehabt. Schon das erste Kind kam mit gesundheitlichen Problemen auf die Welt und musste viel Zeit unter ärztlicher Aufsicht verbringen. Und auch das zweite Kind Marie wies Verzögerungen in ihrer Entwicklung auf. Erst später wurde erkannt, dass sie unter dem Angelmann-Syndrom leidet und immer auf dem Entwicklungsstand eines Kleinkindes bleiben wird. Doch das soll Familie Dietz nicht davon abhalten, eine glückliche Familie zu sein und ihren Humor weiter auszuleben. Denn "jede Familie hat ihren eigenen Rucksack zu tragen."

Das Buch erzählt viele kurze Storys und Momente aus dem Leben von Shari und André Dietz - von den Geburten, über Arztbesuche, bis zum Umgang von anderen Leuten mit Maries Beeinträchtigung und darüber hinaus von noch diversen anderen Erlebnisse. Da diese Beiträge sowohl aus der Sichtweise von André als auch aus der von Shari geschrieben sind, kann der Leser sich auf abwechslungsreiche Erzählungen freuen. Die Perspektivwechsel lockern den Schreibfluss auf und stellen die unterschiedlichen Sichtweisen und den Umgang der beiden mit verschiedenen Situationen dar. Dabei ist es keinesfalls hinderlich, dass diese nicht in einer chronologischen Reihenfolge angeordnet sind, sondern stattdessen zwischen dem Kennenlernen der beiden bis zur Geburt der letzen Tochter und dem Leben mit ihrem "besonderen Kind" gewechselt wird. Dies lässt einige Zusammenhänge deutlicher werden und garantiert Abwechslung. Darüber hinaus sorgen die kurzen Kapitel dafür, dass man das Buch häufig nicht aus den Händen legen kann, sondern wie gefesselt ist.

Besonders gut ist, dass trotz der vielen Einblicke in das Leben der Familie, die Anonymität der Kinder gewahrt bleibt. Auf den Bildern des Buchumschlags sind die Kinder nur von hinten zu erkennen und auch Namen werden keine genannt - bis auf der von Marie, der, wie der Leser ebenfalls in dem Buch erfährt, vorher schon der Öffentlichkeit bekannt war.
Dennoch ist es dem Leser möglich, einen guten Einblick in den Familienalltag und in die verschiedenen Persönlichkeitszüge der Kinder zu bekommen.

Das Buch zeigt auf oftmals sehr humorvolle Weise, dass ein Leben mit einem beeinträchtigen Kind keinesfalls das Glück verringern geschweige denn zwangsläufig Unglück bedeuten muss. Auch wenn es viele Schwierigkeiten bzw. Umgewöhnungen mit sich bringt und es Phasen gibt, in denen alles schiefzulaufen scheint, machen Shari und André dem Leser dennoch immer wieder deutlich, dass mit der richtigen Organisation des Alltags und mit der notwendigen Förderung das Familienleben nicht negativ beeinträchtigt werden muss. Dadurch, dass durch die Beschreibungen der schlechten und schwierigen Phasen auch negative und weniger angenehme Seiten beleuchtet werden und diese keinesfalls beschönigt werden, wird eine gewisse Authentizität hergestellt, die die Leser ermutigt, die Welt aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, nicht mit dem ersten scheinbaren Scheitern aufzugeben, sondern immer zu versuchen, das beste aus der Situation zu machen.

Es ist zwar schade, dass man als Leser nur einige Einblicke in das Syndrom und die Auswirkungen speziell im Fall von Marie erhält, allerdings soll dies kein ausschlaggebender Grund dafür sein, dass Buch nicht zu lesen. Denn die Geschichte der beiden ist spannend, abwechslungsreich und regt zum Nachdenken an. Sie ist also keinesfalls vergleichbar mit einer langen wenig humorvoll gestalteten Biografie. Denn auf vergleichsweise wenigen Seiten wird sehr viel über die die Familie, den Familienalltag und das Leben mit diversen Hürden, die früher oder später erfolgreich gemeistert wurden, deutlich.
Darüber hinaus ist am Ende des Buches ein Verweis auf den Angelmann-Verein verzeichnet, der darlegt, wo man weitere Informationen und Erfahrungsberichte erhalten kann.

Das Buch ist also jedem zu empfehlen, die selber Eltern oder Angehörige eines "besonderen Kindes" sind, die sich für Gendefekte wie das Angelmann-Syndrom und das Leben mit den Betroffenen interessieren, aber auch allen anderen, die eine humorvolle und interessante Geschichte lesen möchten.