Rezension

Joan Wengs bisher bester Roman über die Zwanziger Jahre!

Das Café unter den Linden - Joan Weng

Das Café unter den Linden
von Joan Weng

Als Kennerin des Œuvres von Joan Weng bin ich zu dem Schluss gelangt, dass sich die Autorin von Buch zu Buch gesteigert hat und die "Roaring Twenties" für sie die optimale Epoche zu sein scheint.

Mit viel Herzblut und Wissen widmet sich Weng ihrer kleinen, aber feinen Geschichte um die Landpomeranze Fritzi, die 1925 in Berlin ihr Glück sucht und eine Stelle als Drehbuchschreiberin bei der UFA anstrebt. Doch zwischen Traum und Wirklichkeit liegen oft Welten und Fritzi bekommt statt einer Anstellung beim Film eine Stelle als Tippfräulein bei dem eigensinnigen, verarmten Grafen Hans von Keller, einem verkappten Literaten. Doch der Adelige findet schnell Interesse am frischen wie unkonventionellen Frauenzimmer aus der Provinz, zumal dieses auch noch dieselben Autoren verehrt und scharfsinnig schreiben kann.

In Berlin blüht Fritzi auf. Denn fernab der langweiligen Heimat und weit weg vom blassen Verlobten Gustav verspricht die deutsche Hauptstadt viel Exotik und Freiheit. Hier lebt sich Fritzi schnell in die Bohèmeszene ein und wird ein Teil von dieser bunten Welt...

MEINUNG
Joan Wengs nunmehr dritter Roman ist einfach ihr bisher bester. Kenntnisreich, feinfühlig und bildreich entführt sie den Leser ins Berlin der Zwanziger Jahre. Hier tummeln sich Künstler und jene, die es gern wären, und das Beste daran ist, alles ist erlaubt.
Weng schafft es dieses freie, unabhängige Lebensgefühl formidabel einzufangen. Dies lag zum einen an Wengs Erzählsprache, die eins zu eins mit der damaligen Art zu sprechen abgestimmt wurde, zum anderen an der Einbindung von zeitgenössischen literarischen sowie musikalischen Werken an passender Stelle. Seite für Seite schreibt sie sich ins Leserherz und hinterlässt dort eine unstillbare Sehnsucht nach einer Zeitreise. Die Lebenswelt der Hauptprotagonisin Fritzi wird eindrücklich, weil 100 Prozent authentisch wiedergegeben. Ob nun ihre Schwärmerei für Hans oder ihre Leidenschaft für Drehbücher, Fritzi ist dem Leser auf Anhieb sympathisch. Darüber hinaus sorgt ihre bunte Entourage, die aus einem Möchtegernfilmstarlet, einem schwulen Haushälterpaar sowie aus einem Sänger besteht, für allerhand Abwechslung und Skandälchen. Zudem mochte ich das legendäre "Café unter den Linden" als Dreh- und Angelpunkt der Handlung sehr. Hier möchte man sofort einmal einkehren und die damalige "Berliner Luft" einatmen bzw. in geselliger Runde den Alltag Revue passieren lassen. 

FAZIT
Eine rundum gelungene literarische Zeitreise in die Zwanziger Jahre, die jeder gelesen haben sollte.