Rezension

Josies Flucht vor dem Leben

Bis an die Grenze - Dave Eggers

Bis an die Grenze
von Dave Eggers

Inhalt
Als die Probleme der Zahnärztin Josie Überhand nehmen, flieht sie mit ihren Kindern nach Alaska. Dort angekommen mietet sie zunächst einen alten klapprigen Wohnwagen und trinkt gerne mal einen über den Durst, wenn sie am Waldrand parkt und die Kinder schlafen. Doch nicht nur der Wohnwagen droht auf den nächsten Metern zusammenzubrechen, auch in Josies Leben ist so einiges in die Brüche gegangen. Ihre Ehe ist am Ende und ihr Ex möchte den Kindern seine neue Verlobte vorstellen, ihre Praxis muss sie schließen, da sie von einer Patientin verklagt wird und auch der Druck, den die Gesellschaft alleinerziehenden Eltern aufbürdet setzen Josie immens zu. Wird sie es schaffen in Alaska ihr Glück zu finden?

Meine Meinung
"Bis an die Grenze" hat so vielversprechend geklungen, dass ich mich auf den Roadtrip nach Alaska gefreut habe. Doch schnell wird klar, dass Josies Erinnerungen mehr Raum einnehmen, als das auf der Reise erlebte. Der über die Jahre angestaute seelische Ballast fährt mit und wird ganz gerne mal mit einem Glas Pinot versucht zu verarbeiten. Hat man als Leser die Hoffnung, dass es mit dem voranschreiten der Reise besser wird, muss man jedoch schnell feststellen, dass auch in Alaska nicht jeder offen und freundlich auf Josie und ihre Kinder reagiert. Die Missgeschicke der Reise häufen sich und Josie bringt Ana und Paul nicht nur einmal in eine gefährliche Situation. Bei Josie kommt man manchmal nicht umhin zu denken, dass das Glück scheinbar wirklich mit den Doofen ist, denn sie übersteht Waldbrände und Gewitter, tut wirklich unüberlegte Dinge und ist am Ende auf wundersame Weise dennoch geläutert.

Auf eindringliche Weise beschreibt Eggers die innere Zerrissenheit seiner Hauptfigur. Das hat oft etwas bedrückendes, verwirrtes, manchmal aber auch witziges. Ich hätte Josie gerne manchmal geschüttelt, weil sie für mein Empfinden zu oft die Flucht ergriffen hat, sobald es Probleme gab. Sie ist damit nicht nur ein schlechtes Vorbild für ihre Kinder, sondern auch selber sehr kindlich in ihrem Verhalten.

Doch es gab auch anrührenden Stellen im Buch, die mir ganz besonders gut gefallen haben. Dies waren jene, bei denen die kleine Familie unvermutet Erfahrungen macht, mit denen nicht zu rechnen war. So geschehen, als die drei von außen einer Hochzeit zusehen und ein älterer Herr plötzlich statt sie zu verscheuchen an sie herantritt, um sie einzuladen. Für mich ist dies mit die stärkste Szene, in einer bisweilen verworrenen und dröge erzählten Geschichte.

Josie kommt am Ende zu dem Schluss: Es ist nötig, dass "man sehr häufig fortgehen muss". Und: "In Bewegung liegt Sinn." Ob das so stimmt, bezweifel ich ehrlich gesagt. Bewegung an sich ist sicher nicht verkehrt, aber eins muss man bei einer Flucht immer bedenken: man nimmt sich überall hin mit und kann vor sich selber nur schwerlich fliehen. Und auch wenn sich das von Josie festgestellte zunächst wie ein glücklicher Moment anfühlt, macht Eggers dieses wieder mit seinem letzten Kapitel zunichte. Es besteht nur aus einem Satz, der jedoch alles wieder infrage stellt und das Ende für mich zu offen lässt. Ich hätte kein Happy End gebraucht, weil dieses zu unglaubwürdig gewesen wäre, aber so ganz mit leeren Händen dazustehen, gefällt mir auch nicht.

Fazit
"Bis an die Grenze" hat so vielversprechend geklungen und ich hätte mich über einen Roadtrip, der seine Protagonistin wachsen lässt und den Leser mit auf eine spannende Reise mitnimmt gefreut. Leider ist jedoch nicht nur Josie, sondern auch der Autor bei seiner Erzählung vom Weg abgekommen.

Kommentare

LySch kommentierte am 27. April 2017 um 08:42

Schade, dass es dir nicht gefallen hat... Die Meinungen gehen doch ser auseinander. Ich werde es auf jeden Fall noch lesen, es liegt schon im Regal :) Bin schon sehr gespannt!