Rezension

Jugendbuch mit hervorragenden Ansätzen, aber einer schwierigen Protagonistin

What I Like About You - Marisa Kanter

What I Like About You
von Marisa Kanter

Bewertet mit 3 Sternen

Ich bin mir bei dem Cover sehr unsicher, ob ich es mag oder nicht. Einerseits passt es durch seine Gestaltung perfekt zum Inhalt der Geschichte, andererseits erinnert mich das Cover extrem an Jugendbücher von vor etwa 15 Jahren, sodass es für mich auf den ersten Blick ein bisschen altmodisch wirkt, wie ein Jugendbuch als den 90er oder frühen 2000er Jahren.

Die Geschichte gefiel mir auf den ersten Blick wirklich gut: Halle Levitt hat nicht besonders viele Freunde. Sie ist seit sie denken kann, nie länger an einem Ort geblieben, weil ihre Eltern als Dokumentarfilmregisseure immer auf der Suche nach einer neuen Geschichte waren. Als die beiden jetzt für eine längere Zeit nach Israel gehen, entscheiden sich Halle und ihr jüngerer Bruder Ollie dafür, bei ihrem Opa zu bleiben. Dieser hat sich nach dem Tod seiner Frau allerdings so sehr verändert, dass Halle und Ollie sich erst einmal neu eingewöhnen müssen. Und dann steht auch noch Nash Stevens vor Halle, ihr bester Freund, den sie noch nie gesehen hat. Sie bloggt nämlich unter dem Pseudonym Kels über ihre Lieblingsbücher und präsentiert dazu leckere Cupcakes. Dort hat sie auch Nash kennengelernt, mit dem sie seit Jahren schreibt und sich über Bücher, seine Comics und über den gemeinsamen Traum, zur NYU zu gehen, austauschen. Doch Halle kann ihm nicht sagen, wer sie wirklich ist, schließlich ist Kels viel cooler als Halle es jemals sein könnte, doch dann lernt sie Nash näherkennen und plötzlich wird alles noch schwieriger…

Der Schreibstil ist für mich das Highlight des Buches. Er ist wirklich unglaublich leicht, flüssig und sorgt dafür, dass man ab dem ersten Wort so in die Geschichte gezogen wird, dass es schwierig wird, wieder aus ihr herauszufinden. Ich fand es unglaublich, wie Melissa Kanter es schafft, dass man jedem Wort, jedem Satz so interessiert folgt, als würde man ein neues Buch seiner Lieblingsreihe lesen. Dazu trägt auch bei, dass es immer wieder Abschnitte und Kapitel gibt, die in Chatform oder in Tweets geschrieben sind. Diese lockern die gesamte Geschichte auf angenehme Art und Weise auf und passen sich perfekt in die Geschichte ein. Besser wäre es lediglich gewesen, wenn auch Halles/Kels Beiträge auf Instagram auch als Fotos zu sehen gewesen wären, weil es mir immer wieder sehr schwerfiel, mir die Darstellung von Covern in Cupcake extrem schwerfiel. Ich hätte nicht jeden Post als Darstellung benötigt, aber zumindest ein oder zwei zentrale, hätten den Aufbau des Buches wirklich perfekt gemacht.

Leider kann die Geschichte nicht wirklich mit dem hervorragenden Schreibstil mithalten. Das liegt vor allem daran, dass ich mit Halle als Hauptperson nicht so richtig warm geworden bin. Am Anfang des Buches fand ich sie irgendwie noch ziemlich cool und mochte, wie selbstbewusst und mutig sie entschieden hat, ein Jahr ohne ihre Eltern bei ihrem Großvater zu leben, damit sie sich auf die Vorbereitung zum College und ihren Blog konzentrieren kann. Ich war wirklich beeindruckt, wie erwachsen und überlegt sie diese Sache anging. Aber der erste Eindruck hat leider eher getäuscht, denn Halle ist alles andere als gelassen und selbstbewusst. Natürlich kann man das von einem Teenager auch nicht immer verlangen, aber kaum dass Halle in der Realität auf ihren Onlinefreund Nash trifft, verhält sie sich wirklich furchtbar. Anstatt ihm die Wahrheit zu sagen und zu erklären, dass sie seine beste Freundin Kels ist, stößt sie ihn immer wieder weg, obwohl sie sich mit seinen Freunden anfreundet. Ich konnte das am Anfang sogar noch verstehen, sie hat einfach das Gefühl, nicht mit der coolen Kels mithalten zu können. Aber spätestens als sie Nash dann näher kennenlernt, kann ich nicht mehr verstehen, dass sie ihn die ganze Zeit belügt. Leider ist aber die ganze Geschichte um diese Lüge und die Schwierigkeiten, die Halle dadurch hat, aufgebaut. Ich mag es einfach nicht besonders, wenn eine der Protagonisten immer unehrlich ist und wenn das noch den Hauptteil der Handlung darstellt, ist es für mich ein bisschen schwierig, mich wirklich auf die Story einzulassen. Es gibt durchaus Lügen bei Charakteren, die ich nachvollziehen und akzeptieren kann, aber ab einem gewissen Punkt hatte Halle diesen Punkt für mich überschritten und ich war einfach nur noch genervt von ihr. Das lag auch daran, dass ihre Motive und vor allem Handlungen, auf die ich nicht weiter eingehen will, nicht mehr nachvollziehen konnte und wollte.

Auch die anderen Charaktere haben das Buch leider nicht so wirklich retten können. Zwar sind sowohl Gramps als auch Ollie hervorragend ausgearbeitet und man fiebert mit beiden auf eine gewisse Art und Weise mit, aber vor allem Nash bleibt daneben sehr, sehr blass. Dass man ihn am Anfang noch nicht so gut kennt, beziehungsweise vor allem die Seite an ihm kennt, die auch Kels im Internet kennengelernt hat. Aber spätestens als sich Halle und Nash auch im realen Leben näherkommen, müsste man ihn als wirkliche Personen wahrnehmen können, aber obwohl er zumindest ein wenig Profil gewinnt, wird nicht er zu einem richtigen Charakter mit Eigenschaften und Fehlern. Dabei ist vor allem ein Problem, dass Halle sich mit Nash nie über die gleichen Themen unterhalten kann, über die er sich mit Kels unterhalten würde und so ein wesentlicher Teil in seinem Leben nicht sichtbar ist. Das hat mich mit der Zeit immer mehr geärgert, weil ich ihn eigentlich mochte, ihn aber nicht vollständig greifen konnte. Auch seine Freunde von ‚Le Crew‘ waren zwar echt interessant, aber auch von ihnen bekommt man, dadurch dass Halle immer sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt ist, nur einen sehr oberflächlichen Eindruck. Sie alle sind interessante Charaktere und ich mag vor allem Sawyer unglaublich gerne, aber sie bekommen nicht das Profil, das ihnen zusteht.

Ich war mit Verlauf des Buches wirklich gefrustet, weil das Buch immer wieder so tolle, spannende und vor allem wichtige Themen anspricht, sie aber teilweise innerhalb kürzester Zeit abhandelt. Ich fand es extrem spannend, wie wichtig das Judentum in der Familie der Levitts ist und dass man durch das Buch darin wichtige Einblicke erhält. Ich habe ehrlich gesagt schon lange kein Buch mehr gelesen, in dem Religion so positiv konnotiert war, wie in diesem. Ich bin nicht unbedingt ein Fan der Institution der Kirche bzw. deren Entsprechungen in anderen Religionen, dennoch ist es eine willkommene Abwechslung, dass sie hier eine positive, heimische Atmosphäre ausstrahlt. Auch andere Diversität, wie beispielsweise Ollies Sexualität, wird wunderbar und unaufgeregt in die Geschichte eingebaut, was eine willkommene Abwechslung zu anderen Büchern ist. Dafür werden andere Sachen, wie Trauerarbeit, psychische Probleme und auch die Gefahren des Internets innerhalb weniger Seiten abgehandelt und als erledigt markiert, was den Thematiken einfach nicht angemessen erscheint. Vielleicht hätte man sich hier auf weniger Themen beschränken sollen, die dann aber intensiv ausgearbeitet werden konnten.

Alles in allem hatte das Buch super viel Potenzial und hätte ein Highlight für mich werden können, aber leider wurde ich mit Halle als Protagonistin nicht wirklich warm und konnte ihre Motivik einfach ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr nachvollziehen. Das fand ich unglaublich schade, auch weil ich die anderen Figuren nicht wirklich gut ausgearbeitet wurden und mir so eine Bezugsperson gefehlt hat. Zudem hat mich das Ende unglaublich enttäuscht, weil ich mir eine rundere Lösung auf beiden Seiten gewünscht hätte.