Rezension

Jugendliche Reflexionen auf eine ungerechte Welt

Dieses ganze Leben -

Dieses ganze Leben
von Raffaella Romagnolo

Bewertet mit 4 Sternen

Die sechzehnjährige Paola lebt als Tochter eines Bauunternehmers sehr komfortabel in einer schönen Villa inklusive Nanny. Trotzdem hat sie es nicht immer leicht. Während ihr Bruder, der im Rollstuhl sitzt, die volle Aufmerksamkeit seines Umfelds genießt, fühlt sich Paola oft zurückgesetzt. Ihre Wahrnehmung von sich selbst ist negativ angehaucht, nur weil sie optisch nicht den Models der Hochglanzmagazine entspricht. Mobbingaktionen ihrer Mitschüler und wenig einfühlsame Äußerungen in der Familie tun ihr Übriges.

Vor diesem Hintergrund sinniert Paola über ihr eigenes Leben und die Verhältnisse in ihrer Umgebung nach. Ihre Gedanken erreichen den Leser in erfrischend frecher, jugendlicher Sprache. Dem Klischee mangelnder Konzentration folgend, springt sie zwischen ihren Themen hin und her, wechselt scheinbar planlos zwischen Berichten zu echten Ereignissen und eigenen Träumereien. Das ist beim Lesen zeitweise ganz schön anstrengend.

Über den Einblick in Paola‘s Leben transportiert Raffaella Romagnolo ihre Gesellschaftskritik. Oberflächlichkeit, Neid und Missgunst sind die Probleme, der gehobenen Klasse, die keine echten Sorgen mehr zu haben scheint. Sie kritisiert die Arroganz und die Gewissenlosigkeit, die Eliten teilweise gegenüber Anderen an den Tag legen. Sie haben den Blick für die breite Masse verloren, ihre soziale Pflicht vergessen. Die Abgrenzung von arm und reich arbeitet die Autorin gut heraus und zeigt besonders schön wie egal genau dies Kindern eigentlich ist. Diese Perspektive des Romans hat mir gut gefallen.

Der Hauptanklagepunkt des Romans ist das Schweigen. Da viele Dinge unausgesprochen und damit ungeklärt sind, befinden sich alle in einer wagen Unsicherheit. Niemand weiß um die Einstellung des Anderen. Dadurch ist nicht auszumachen, wo man selbst steht. Mit Hilfe der Geschichte um Paola‘s Großmutter argumentiert Raffaella Romagnolo, dass es durchaus positiv sein kann, das Schweigen zu brechen.

Insgesamt hat mir dieser Roman gut gefallen, die Perspektive auf die Gesellschaft hat mich beeindruckt. Die Sprache der Protagonistin und die zahlreichen metaphorischen Verweise auf andere Autoren gingen mir etwas auf die Nerven. Dafür ziehe ich einen Stern ab. Lesenswert ist „Dieses ganze Leben“ trotzdem.