Rezension

Julie Leuze erzählt nicht bloß eine Geschichte: Sie erzählt das Leben!

Der Geschmack von Sommerregen - Julie Leuze

Der Geschmack von Sommerregen
von Julie Leuze

*Worum geht's?*
Die 16-jährige Sophie hat ein Geheimnis: Sie fühlt in Farben. Jede noch so kleine Gefühlsregung lässt sie bunte Farben auf ihrem inneren Monitor sehen. Doch das muss sie um jeden Preis unterdrücken. Niemand darf wissen, was sich in ihr abspielt, wenn sie nicht wie ihre psychisch kranke Großmutter enden will! Das hat Sophies Mutter ihrer Tochter deutlich zu verstehen gegeben. Deshalb hat sich Sophie stets im Hintergrund gehalten und das stille Mauerblümchen gespielt. Aber dann kommt der attraktive Mattis in ihre Klasse, der ihr Herz mit nur einem Lächeln zum Rasen bringt. Schon bald wird Sophie klar, dass hinter den Farben, die Mattis in ihr hervorruft, viel mehr steckt als eine naive Verliebtheit: Sie liebt ihn. Wenn sie allerdings eine ernsthafte Beziehung mit Mattis führen will, darf nichts zwischen ihnen stehen. Er muss von ihren inneren Farben erfahren. Doch dafür muss Sophie erst einmal selbst herausfinden, was mit ihr los ist...

*Meine Meinung:*
Julie Leuze erzählt in ihrem Debüt "Der Geschmack von Sommerregen" eine wunderschöne Geschichte über das Erwachsenwerden, die große Liebe, den Wert der Freundschaft und vor allem die Suche nach sich selbst. Und das tut sie auf eine natürliche, zauberhafte Weise, wie ich sie noch nie gelesen habe. Denn Julie Leuze erzählt nicht bloß eine Geschichte: Sie erzählt das Leben. Sie nimmt kein Blatt vor den Mund, schildert die unterschiedlichsten Facetten, bringt Höhen und Tiefen zur Sprache - und tut dies alles mit einer Authentizität, die einen augenblicklich mit Leib und Seele gefangen nimmt. 

Die 16-jährige Sophie ist die Protagonistin von "Der Geschmack von Sommerregen". Sie ist ein stilles, in sich gekehrtes Mädchen, das ein großes Geheimnis hütet: Sie fühlt in Farben. Jede Gefühlsregung lässt Farben aufwallen, die sie auf ihrem inneren Monitor sehen kann. Sophie weiß, dass ihre inneren Farben nicht normal sind, und hat große Angst davor, jemandem von ihnen zu erzählen. Ist sie eine Irre, eine Wahnsinnige? Ihre Sorgen belasten sie so stark, dass sie sich lieber zurückzieht. Sophie ist ein Mauerblümchen durch und durch, ein liebenswertes Mädchen mit einer Besonderheit, mit dem man sich schnell identifizieren kann. 

Da die Geschichte aus Sophies Sicht erzählt wird, bekommt man ihre farbenfrohe Sicht auf die Welt hautnah zu spüren. Dank Leuzes Schreibstil bekommt man die Möglichkeit Sophies Gefühlsfarben mit eigenen Augen sehen zu können, mit dem eigenen Herzen fühlen zu können. Ich war schon auf der ersten Seite von dieser seltsamen, aber wunderschönen Perspektive fasziniert und habe mich oftmals dabei ertappt, dass ich Sophie um ihre Gabe - trotz ihrer Sorgen! - beneidet habe.

Mattis lernt man direkt auf der ersten Seite als unfassbar attraktiven und anziehenden jungen Mann kennen. Alle Mädchen stehen auf ihn, alle Jungs wollen mit ihm befreundet sein und schon nach seinem ersten Tag an der neuen Schule ranken sich unglaubliche Gerüchte um ihn. Nach so einer Vorstellung möchte man als Vielleser des Genres am liebsten genervt aufseufzen. Noch so einen oberflächlichen Schönling, der viel zu perfekt und makellos ist, braucht die Buchwelt nun wirklich nicht! Die Autorin führt ihre Leser allerdings geschickt an der Nase herum, denn Mattis ist nicht der, für den man ihn zu Beginn hält. Mattis steckt voller Überraschungen und beweist im Geschichtsverlauf immer wieder, wie tiefgründig seine Persönlichkeit ist. Er ist ein vielschichtiger Charakter, der ebenso authentisch ist wie Sophie und der einem mit jeder Seite mehr ans Herz wächst. Je näher man ihn kennenlernt, desto häufiger gerät man mit Sophie ins Schwärmen. Mattis ist besonders - und das in so vielerlei Hinsicht!

Sophie vollzieht von der ersten bis zur letzten Seite eine enorme Entwicklung von der stillen grauen Maus zu einer selbstbewussten jungen Frau. Diese Veränderung kommt allerdings nicht von jetzt auf gleich, sondern in authentischen kleinen Schritten, die vor allem durch ihre Beziehung zu Mattis angetrieben werden. Sophie und Mattis verlieben sich schnell und auch das Thema Sex nimmt rasch eine entscheidende Rolle innerhalb des Romans ein, aber man bekommt niemals das Gefühl, dass Leuze einen Charakter überstürzt handeln lässt. Alles hat seinen Sinn und alles an diesem Buch passt perfekt zusammen. Die junge Autorin hat ein großes Talent für ihre vielschichtigen Figuren, denn sie schafft es mit Leichtigkeit sie realistisch und echt darzustellen wie manch anderer Autor es nicht einmal mit größter Mühe schafft. Leuzes Figuren sind so lebendig, dass man ihnen schon morgen persönlich auf der Straße begegnen könnte. Es sind Personen, wie das Leben sie schafft, mitsamt ihren Stärken und Schwächen und ihren Schicksalen, die sie prägen.

Wie eben bereits erwähnt, spielt Sex eine große Rolle in "Der Geschmack von Sommerregen". Julie Leuze kehrt es nicht unter den Tisch, sondern behandelt das Thema einfühlsam und behutsam. Sie beschreibt sie intimen Momente zwischen Sophie und Mattis explizit, aber nicht billig, sondern romantisch und sinnlich. Damit schafft die Autorin das, woran viele andere Jugendbücher scheitern. "Der Geschmack von Sommerregen" ist endlich einmal ein Buch, dass die Lust und die Leidenschaft von Jugendlichen nicht totschweigt oder sie auf eine abstruse Weise darstellt, die sich in Wirklichkeit niemals so abspielen würde. Julie Leuze ist eine Meisterin der Authentizität - und das spürt man in diesem Punkt besonders stark.

Ein absolutes Highlight des Romans war für mich die unverfälschte und natürliche Familiendynamik zwischen Sophie und ihren Eltern, vor allem ihrer Mutter. Sophie kapselt sich im Verlauf der Geschichte immer mehr von ihren Eltern ab. Selbstredend kommt es da zu Konflikten, wie sie jeder Jugendliche kennt: Man liebt seine Eltern, hat Sehnsucht nach ihnen, hat aber trotzdem den Wunsch nach Eigenständigkeit. Sophie steckt mitten in dieser Phase und muss für sich die beste Lösung für dieses Problem finden. Julie Leuze behandelt das Familienleben so realistisch, dass einem die Problematik selbst nahegeht. Dabei ist es völlig egal, ob man es als Jugendlicher gerade selbst erlebt oder ob man sich als Erwachsener bloß daran erinnert.

Julie Leuzes Schreibstil ist großartig zu lesen und lässt einen rasend durch die Seiten fliegen. Ihre Sprache ist frisch und lebendig und spiegelt die Art einer 16-jährigen Jugendlichen authentisch wider. Sie fängt die Welt auf eine besondere, gar poetische Weise ein, die einen vollkommen in das Buch abtauchen lässt. Leuze findet stets die richtigen Worte, um ihre Leser direkt ins Herz zu treffen und mitzureißen.

*Cover:*
Ich liebe dieses Cover! Es passt perfekt zu einer Contemporary-Liebesgeschichte und lädt einfach zum Schwärmen ein. Besonders gefällt mir, dass nur die Schrift eine Farbe hat, obwohl sich doch der gesamte Roman um Sophies innere Farben dreht. Das schwarz-weiße Cover strahlt eine grandiose Atmosphäre aus!

*Fazit:*
"Der Geschmack von Sommerregen" von Julie Leuze ist besonders - und das in absolut jeder Hinsicht, von den Charakteren bis hin zur Handlung. Es ist eine wundervolle und emotionale Liebesgeschichte, die mich tief berührt und bewegt hat. Julie Leuze schreibt so authentisch, so echt, dass ich sprach- und atemlos an jeder Seite ihres Romans hing. Dieses Debüt ist einzigartig und unvergesslich! Für "Der Geschmack von Sommerregen" vergebe ich 5 Sterne.