Rezension

Juri und der Mann aus Stahl

Guten Morgen, Genosse Elefant - Christopher Wilson

Guten Morgen, Genosse Elefant
von Christopher Wilson

Bewertet mit 4 Sternen

Russland, 1954. Juri ist zwölf Jahre alt, na gut, eigentlich schon zwölfeinhalb und er ist ein Idiotnik, sagen die Erwachsenen. Dafür kann er aber nichts, weiß er, denn er ist als Kind - also als kleines Kind - von einem Lastwagen überfahren worden und weil sein Papa im Moskauer Zoo arbeitet und Ahnung von Gehirnen hat, ist ihm bewusst, dass es in seinem Gehirn nicht so richtig funktioniert. Eines Nachts werden er und sein Papa abgeholt und in eine Datscha gebracht, und dort lernt Juri den Mann aus Stahl kennen, Stalin, den Großen Vater, den Führer seines Volkes. Eigentlich sogar gleich vierfach, denn der Stählerne hat drei Doppelgänger. Außerdem hat er viele Feinde, die meisten davon in seiner unmittelbaren Umgebung, weshalb er Juri zu seinem Vorkoster macht. Juri, das Kind, sieht und hört alles, und er begreift mehr, als mancher zu träumen wagt. Ein gefährliches Leben, das jederzeit schnell vorbei sein kann ...

Dadurch, dass der Hauptprotagonist jemand ist, der einerseits voller Naivität steckt, andererseits so unauffällig ist, dass ihn kaum jemand ernst nimmt, kommt er in eine einzigartige Lage, welche es ihm gestattet, uns ein Bild von den letzten Tagen Stalins zu zeichnen, das in seiner unfassbaren und doch kindlich unwertenden Sicht umso mehr Eindruck hinterlässt. Die sozialistischen Führer saufen, rauchen, foltern, töten so en passant, als wäre es nichts weiter als eine Fliege zu erschlagen. Jeder belauert den anderen und Stalin sitzt wie eine Spinne in der Mitte, lässt seine nächsten Mitarbeiter wie ein römischer Kaiser im Kreis tanzen, erniedrigt sie, macht sich über sie lustig, und wenn ihm danach ist, löscht er sie aus. Gleichzeitig macht er den Idiotnik Juri zu seinem einzigen Vertrauten, und wie könnte er auch nicht, bewahrt sich dieser doch bis zum Schluss eine rührende Unschuld, die einen fast in die Knie zwingt. Ein trauriges Buch, ein kluges, ein grausames, ein interessantes und auf gewisse Art einzigartiges Buch.