Rezension

Kaleidoskop der Moderne

1913 - Florian Illies

1913
von Florian Illies

Bewertet mit 4.5 Sternen

Wie sagt man so schön: Mögest du in interessanten Zeiten leben...
Die Zeit um die letzte Jahrhundertwende herum war zweifellos sehr interessant und ereignisreich; und stellvertretend dafür wird in 1913 eben das Jahr 1913 nacherzählt, Monat für Monat. Wer war wo? Wer hat was gemacht? Unglaublich spannend im Jahre 2013 nachzulesen was vor genau 100 Jahren so passiert ist in der Welt...
Coco Chanel und Strawinsky trafen sich zum ersten Mal, und zwar auf der Premiere von Le sacre du printemps in Paris. Kaiser Wilhelm II feierte 25jähriges Thronjubiläum, Thomas Mann schrieb an Felix Krull und dem Zauberberg, der erste Band von Marcel Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit erschien und Bertold Brecht war gerade 15 und besuchte das königliche Realgymnasium in Augsburg.
Kafka schrieb leidenschaftliche Briefe an seine Felice, darunter ein total abstruser Heiratsantrag, Rilke stritt sich heftig mit Rodin, und Hitler, 24jährig, malte Aquarelle in einem Männerwohnheim in Wien als Eva Braun geboren wurde.
Piero Ginori Conti entdeckte die Geothermie, C.G. Jung brach mit Freud, und der 27 Jahre alte Ludwig Mies Van der Rohe machte sich als Architekt selbständig.
Kokain und Mophium waren die angesagten Drogen, alle Welt litt an "Neurasthenie" und "Herzneurose" - DIE Leiden der Moderne, Ford setzte in seinen Werken in Detroit erstmals ein Fließband ein, und Franz Marc bekam ein zahmes Reh geschenkt. Er nannte es Hanni und hielt es im Garten, und damit es nicht so einsam war, kaufte er ein zweites, Ruth.
Robert Musil schrieb den Mann ohne Eigenschaften, und Edvard Munch malte Die Eifersucht.
Matisse brachte dem erkrankten Picasso Blumen vorbei, der 2. Balkankrieg begann, und Oskar Kokoschka war besessen von Alma Mahler - eine allesverzehrende Amour fou.
So könnte ich noch stundelnag weitererzählen. Großartig von all diesen berühmten Künstlern, Autoren, Persönlichkeiten und ihren Liebschaften, Sorgen, Erfolgen, ihrem Leben zu lesen. Manchmal nur ein kleiner Satz, zB. Franz Kafka hat Schnupfen :-) , manchmal wieder eine seitenlange Geschichte. Und außerdem viele Bilder und Fotografien.
Ein spannend geschriebenes Stück Geschichte, eine kleine Zeitreise, ein Schaufenster in die Zeit vor 100 Jahren, ein tolles Buch!