Rezension

Kamtschatka

Das Verschwinden der Erde
von Julia Phillips

Bewertet mit 2 Sternen

Kamtschatka ist eine Halbinsel Russlands, die zwar überwiegend von Russen bewohnt wird, auf der aber auch noch ein kleiner Teil der Ureinwohner lebt. Diese Spaltung der Völker und ihrer Kultur ist ein großer Teil der Geschichte, die Julia Phillips hier erzählt.

Aber alles beginnt damit, dass zwei kleine russische Mädchen an der Küste entlang laufen und dort auf einen verletzten Mann treffen, dem sie helfen. Als Dank bietet er ihnen an, sie nach Hause zu fahren. Aber natürlich kommen sie niemals dort an.

Dieses erste Kapitel hat mich sehr berührt und ich habe mir bei jedem Satz, der einen weiter auf die Katastrophe zusteuern lässt, gedacht "Bitte geht einfach weiter, geht nicht mit ihm mit und v.a. steigt nicht in dieses Auto ein." Aber da man als Leser die Handlung nicht verändern kann, war ich ganz froh, als es im nächsten Kapitel erst mal einen Perspektivenwechsel gab. Phillips erzählt nun von dem Jahr, das auf das Verschwinden der Mädchen folgt. Sie tut dies monatsweise und jeder Monat ist einer anderen Frau gewidmet. Was zunächst gut klingt, funktioniert in der Praxis leider überhaupt nicht. Die Frauen erzählen von Momenten in ihrem Leben, von einem Leben auf dieser abgeschiedenen Insel und auch, wie das Verschwinden der Mädchen ihr Leben direkt oder indirekt beeinflusst und verändert hat. Und auch wenn man nach und nach immer mehr Verbindungen zwischen den Menschen entdeckt, wirkt "Das Verschwinden der Erde" eher wie eine Sammlung von Kurzgeschichten als eine zusammenhängende Geschichte. Hinzu kommt, dass durch den sehr raschen Perspektivenwechsel, die Figuren durchweg unnahbar und relativ oberflächlich bleiben. Ihre Schicksale haben mich kaum berührt oder interessiert.

Eng verknüpft mit den beiden russischen Mädchen ist ein älterer Vermisstenfall. Vor drei Jahren verschwand ein indigenes Mädchen, das aufgrund seiner Herkunft aber kaum Beachtung fand. Dieser Geschichtsstrang war noch mit am interessantesten und berührendsten. Am Ende treffen die beiden Mütter aufeinander und mit ihnen hat es Phillip ls endlich wieder geschafft, ein Gefühl in mir zu wecken.

Gut fand ich, dass Phillips Frauen aus verschiedenen Kulturen und Generationen zu Wort kommen lässt. Doch wie bereits erwähnt, kratzt sie dabei nur an der Oberfläche. Die Spaltung der Gesellschaft und die Vorurteile einiger Russen gegen die Ureinwohner ist zwar stets ein Thema aber auch hier geht Phillips nicht allzu weit in die Tiefe.

Alles in allem ist "Das Verschwinden der Erde" somit leider eine Enttäuschung. Es ist eine Darstellung von Einzelschicksalen, die zwar vage miteinander verbunden sind, die jedoch viel zu oberflächlich bleiben.