Rezension

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Kann ein junges Mädchen wirklich böse sein?

Das Böse in deinen Augen - Jenny Blackhurst

Das Böse in deinen Augen
von Jenny Blackhurst

Bewertet mit 3.5 Sternen

Nach einem beruflichen Rückschlag beschließt die Kinderpsychologin Imogen gemeinsam mit ihrem Mann in ihre Heimatstadt zurückzukehren. Wie damals schon in ihrer Kindheit liegt ein dunkler Schatten über der Stadt, der ein beklemmendes Gefühl verursacht. Schon vor dem Antreten ihres neuen Jobs wird sie mit dem außergewöhnlichen wie erschütternden Fall der Ellie Atkinson konfrontiert. Ellie ist ein 11-jähriges Mädchen, welches von Pflegefamilie zu Pflegefamilie geschoben wird, nachdem ihre Eltern und ihr Bruder bei einem Hausbrand ums Leben gekommen sind. Schnell entstehen unglaubliche Gerüchte um das junge Mädchen, Gerüchte über eine übernatürliche, nicht greifbare Kraft und Gefahr, die von dem Mädchen ausgeht. Imogen will dem keinen Glauben schenken, bis einige Ungereimtheiten und erschütternde Ereignisse auftreten...

Das Cover wirkt sehr hübsch, verschnörkelt, unschuldig und wirkt nicht im Geringsten bedrohlich oder provokant. Deswegen passt es auch gut zum Klappentext, denn wer würde einem 11-jährigen Mädchen denn böse Taten zutrauen wie beispielsweise jemandem auf dem Gewissen zu haben? Genau dieser Aspekt hat mich von Anfang an sehr an dieser Geschichte gereizt. Dahinter steckt so viel Potenzial, da es entfernt an Geschichten, beispielsweise Carrie, erinnert, die zeigen was für Abgründe hinter scheinbar unschuldig und kindlich (wirkenden)  Menschen stecken können, die man partout nicht als bösartig betrachten würde.

Die Kapitel sind aus den Sichten von Imogen, Ellie und in abwechselndem Takt von einigen außenstehenden Personen geschrieben. Imogen wirkt anfangs ziemlich aufbrausend, überfordert und nach Perfektion strebend. Nach ihrem beruflichen wie persönlichem Versagen möchte sie alles tun, damit sowas wie damals nie wieder geschieht. Dabei verliert sie sich allerdings in ihrem Eifer und auch ihre Kindheit spielt eine entscheidende Rolle. Durch ihre übertriebene und fast obsessive Art ist sie meiner Meinung nach total ungeeignet um als Kinderpsychologin zu arbeiten, schleppt sie doch selbst genug Ballast mit sich, der ihre objektive Einschätzungs- und Beurteilungsfähigkeiten stark beeinflusst, und das nicht gerade zum Positiven. Deswegen wurde sie mir immer unsympathischer und am Ende, tja, was soll ich sagen, hat sie sich auch durch ihre eigene Schuld und Unfähigkeit in diese Lage manövriert, auch wenn sie mir dennoch leid tut.

Ellie ist undurchschaubar. Durch ihre plötzlichen Anwandlungen und dem Ausstoßen von bedrohlich klingenden Nachrichten konnte ich sie nicht eindeutig als gefährlich einstufen. Meistens reden andere schlecht über sie und verbreiten abergläubische Gerüchte die schon fast exorzistische Züge annehmen. Sie selber scheint oft sehr sensibel und unsicher zu sein. Durch ihre Pflegeschwester Mary gewinnt sie mehr an Selbstvertrauen, lässt sich aber auch viel einreden und dadurch ist sie schwer einzuschätzen. Ich könnte nicht mal sagen, ob ich sie für bösartig halte, weil die Meinungen der Stadtbewohner alle so negativ eingestellt sind und so gut wie jeder schlecht von ihr denkt, sodass man durch die negative Einstellung aller anderen mitgezogen wird.

Die Geschichte beginnt interessant, auch wenn mich die anfängliche Unterstellung Ellie solle ein Mädchen absichtlich auf die Straße gestoßen haben, ziemlich gestört hat. Als wäre Ellie eine Schwerverbrecherin oder so etwas. Dabei ist sie doch erst 11 und noch ein Kind. Die Autorin schafft es meisterlich Situationen spitz zulaufen zu lassen und dadurch viel Spannung aufzubauen, die sich dann auf unerwartete Weise entlädt. Dadurch bringt sie den Leser dazu immer weiter lesen zu wollen. Ab dem letzten Drittel nimmt die Qualität meiner Meinung nach stark ab. Es ist immer nur das Gleiche. Irgendetwas Schlimmes geschieht und alle halten gleich Ellie für die Schuldige. Die Schuld kann ihr allerdings nie nachgewiesen werden, ja und so geht es auch weiter. Immer mehr Gerüchte, immer mehr Aberglaube und Hexenverfolgungsgedanken kommen auf, aber es werden am Ende nur geringfügige, kurze Erklärungsversuche geliefert, die mir bei Weitem nicht gereicht haben und noch so viele Fragen offen gelassen haben. Inwiefern Ellie da eine Rolle spielt wird nur am Rande erläutert, aber die Geschehnisse sind redundant und plätschern mehr vor sich hin, als dass noch etwas Besonderes und Unvorhergesehenes geschieht.

Ein atmosphärisch gut durchdachter Triller, der allerdings viele Wiederholungen und die Unglaubwürdigkeit von Ereignissen und Personen enthält sowie viele Fragen offen lässt und keine stringente logische Aufklärung ermöglicht, da sich viele Annahmen nur auf Aberglaube und Intuition zurückführen lassen.