Rezension

Kann man glücklich sein, wenn man sich an nichts erinnert?

Du. Wirst. Vergessen - Suzanne Young

Du. Wirst. Vergessen
von Suzanne Young

Bewertet mit 5 Sternen

"Du. Wirst. Vergessen." von Suzanne Young ist unter dem Originaltitel "The Program" erschienen und ist der Auftakt einer Trilogie. Der zweite Teil ist für April 2014 unter dem Titel "The Treatment." angekündigt. Wann dazu die deutsche Übersetzung erscheinen wird, das ist noch ebenso unklar, wie es der Termin und der Titel des dritten Teils sind.

In "Du. Wirst. Vergessen." wird eine Welt beschrieben, die sich im Grunde genommen nicht wesentlich von unserer heutigen unterscheidet. Nicht die Gesellschaftsform wird in Frage gestellt, sondern deren Gesundheit. So grassiert seit vier Jahren eine soziale Infektionskrankheit, die sich in Form einer Selbstmord-Epidemie unter Jugendlichen unkontrolliert ausbreitet. Man sieht die Häufung der Suizide in einer Art Resistenzbildung gegenüber Antidepressiva begründet, wodurch sich die Anfälligkeit für Depressionen erhöht.
Um der Ausbreitung Einhalt zu gebieten, hat man von staatlicher Seite ein Pilotprojekt zur Prävention ins Leben gerufen, das sich "Das Programm" nennt und gefährdete Jugendliche bei den ersten Anzeichen bzw. auch auf Wunsch der Eltern aussortiert und in eine von drei Einrichtungen bringt. Dort sollen die Jugendlichen im Rahmen einer sechswöchigen Therapie geheilt werden. Was genau mit den Jugendlichen passiert, ist unbekannt. Nach außen dringt nur das Ergebnis, nämlich die sogenannten Rückkehrer, die auf spezielle Privatschulen geschickt werden und sich an nichts mehr erinnern, weder an ihre Freunde noch an ihr Leben vor dem Programm. Sie scheinen einerseits innerlich leer und völlig losgelöst von ihrer Vergangenheit zu sein, aber ihnen scheinen andererseits auch Trauer und Schmerz genommen worden zu sein, so dass sie glücklich und unbeschwert wirken, was den Eltern einen (scheinbaren) Behandlungserfolg bestätigt.
Es gibt einen Ort, an dem sich Rückkehrer und Nicht-Therapierte unter kontrollierten Bedingungen treffen können, das Wellness Center. Aber diese Vermischung macht es den Jugendlichen nicht unbedingt leichter.

 

Die 17jährige Sloane Barstow ist die Protagonistin des Romans und erzählt aus ihrer Sicht, wie es sich anfühlt, in einer solchen Welt zu leben. Ihr wenig älterer Bruder Brady hat sich zwei Jahre zuvor umgebracht und sie hat ihre beste Freundin Lacey an das Programm verloren. Nach und nach werden immer mehr Leute, die sie kennt, abgeholt und weggebracht oder aber sie begehen Selbstmord. Halt in dieser zerrütteten Umgebung gibt ihr vor allem ihr Freund James, der für sie der Fels in der Brandung ist und ihr tagtäglich die Kraft gibt, die Fassade aufrecht zu erhalten. Als James durch den Verlust eines Freundes ins Wanken gerät und im Programm landet, wird es auch für Sloane schwer, weiter so zu tun, als ob sie glücklich ist. Sie weiß, was nun unweigerlich kommt: man wird sie holen.

Das Buch hat mich von der ersten bis zur letzten Seite gefesselt. Der Schreibstil ist flüssig und sehr angenehm zu lesen, wozu auch die recht kurzen Kapitel und die klare Strukturierung beitragen.

Die Verzweiflung eines Heranwachsenden, plötzlich seines Freundes- und Bekanntenkreises beraubt zu werden und sich gleichzeitig selbst mit der Gefahr konfrontiert zu sehen, sich selbst zu verlieren, sei es durch Suizid oder durch Gehirnwäsche, hat mich tief berührt. Dieses verzweifelte Festhalten an der Liebe, die alles überdauert, und das Zerbrechen und Verzweifeln an der Erkenntnis, dass man sich geirrt haben muss, wird so erschütternd realistisch beschrieben, dass man sich als Leser kaum davon distanzieren kann. Man wird mitgerissen in den Gedankenstrom und durchlebt mit Sloane alle Höhen und Tiefen.