Rezension

Kann mit dem Vorgänger leider nicht ganz mithalten

Wo die Nacht beginnt - Deborah Harkness

Wo die Nacht beginnt
von Deborah Harkness

Bewertet mit 3.5 Sternen

Lange habe ich auf dieses Buch gewartet, denn das Lesen des ersten Bandes hat mir unheimlich viel Spaß gemacht, da es atmosphärisch dicht geschrieben ist und trotz Fantasygestalten wie Dämonen, Hexen und Vampiren durchaus realistisch bleibt. “Leider” hatte ich am Ende das Gefühl, dass endlich alle Karten auf dem Tisch liegen und die Geschichte richtig Fahrt aufnimmt und an dieser Stelle war das Buch zuende – ein typisches Phänomen bei einem Auftaktband. Nun konnte ich den zweiten Band endlich lesen. Die Geschichte setzt nahtlos an das Ende von Band eins an: Diana hat sich und Matthew mithilfe ihrer Hexenfähigkeiten in das Jahr 1590 versetzt, indem sie nicht nur das mysteriöse Wissen über die Entstehung der Dämonen, Hexen und Vampire verprechenden und heiß umkämpften Manuskripts Ashmole 782, sondern auch eine Hexe finden wollen, die in der Lage ist Diana die Magie zu lehren, denn in der Jetzt-Zeit sind alle Versuche in dieser Richtung gescheitert.
Das Buch beginnt in dem Moment, als die beiden das Jahr 1590 erreichen. Doch bevor sie ihre Ziele weiterverfolgen können, stellen sie fest, dass Diana zwar dieses Zeitalter inklusive der Alchimie studiert hat und als Expertin gilt, dennoch Defizite in Sprache und Verhalten aufweist, so dass sie arge Schwierigkeiten hat sich in dieser Zeit zurecht zu finden. Bis sie so weit sind nach dem Manuskript zu suchen und Diana ausbilden zu lassen, vergeht ziemlich viel Zeit. Ich möchte zwar nicht direkt sagen, dass die Passagen, in denen Diana die Zeit erkundet und Matthews Leben von damals hautnah erleben kann und sogar Zeuge ist, wie er seinen Vater wiedersieht und sich mit ihm aussöhnt, langweilig sind, denn eigentlich sind sie der Atmosphäre sehr zuträglich, doch sie nehmen schon sehr viel Spannung und Tempo aus dem Buch. Eine ganze Weile hatte ich das Gefühl es zöge sich, wie ein zäher Kaugummi. Vor allem sind die beiden nicht wirklich zielstrebig, so dass ich am Ende das Gefühl hatte, dass sie auch nicht viel schlauer waren als zu Beginn. Das einzige, was wirklich gut lief, war die Ausbildung Dianas, doch diese hätte auch für meinen Geschmack noch intensiver und länger in diesem Buch beschrieben werden können. Am Ende ist sie auf jeden Fall in der Lage die beiden in die Jetzt-Zeit zurückzubringen, in der dann die Geschichte im finalen Band der Trilogie ihr hoffentlich fulminantes Ende nehmen wird.
In der Ich-Erzählung Dianas über der Erlebnisse aus dem Jahr 1590/91 sind sehr geschickt keine Episoden aus der Jetzt-Zeit eingefügt worden, die zeigen, welche Auswirkungen das Leben der beiden in der Vergangenheit auf die Zukunft hat. Denn an Stelle sich möglichst unauffällig zu verhalten, integrieren sie sich völlig in das damalige Leben. Die Episoden sind deshalb so geschickt, da sie zwar einen kleinen Einblick und damit nur Anspielungen auf das Leben der Jetzt-Zeit geben, das ja auch ohne die beiden weiter geht, da Dinge angedeutet werden, aber nicht aufgeklärt, somit wurde wieder einmal ein gelungener kleiner Cliffhanger zum dritten Band gesetzt.
Was ich an diesem Buch vermisst habe, waren Dinge, die ich im ersten Teil besonders gern hatte. So wurde durch die wissenschaftlichen Aktivitäten der beiden Protagonisten eine Realitätsnähe erzeugt, die dem Buch unheimlich gut getan hat. Dies fehlte hier völlig, da es sich hier eher mit dem historischen Leben im Jahr 1590 auseinandersetzt. Zudem verfügte Band eins noch über Romantik und Beschreibung der aufkeimenden Liebe der beiden in einem sehr guten Maß, was bedeutet, dass es weder zu viel noch zu wenig davon gab und auf erotische Anspielungen verzichtet wurde. Dies hat sich in diesem Band komplett geändert. Die Liebe der beiden ist das zentrale Element und ihre Beziehung und deren Entwicklung steht im Vordergrund und leider – denn ich finde das dies nicht wirklich ins Buch passt – wurden viel zu viele erotische Passagen geschildert. Dies hatte zwar zum Glück nicht das Ausmaß wie bei Büchern aus dem Genre der Romantic-Fantasy, doch für meinen Geschmack unpassend viel. Hier tritt dann doch leider wieder das eine oder andere Vampir-Klischee zu Tage.
So kam es, dass ich für dieses Buch, auf das ich mich anfangs riesig gefreut hab, eine gefühlte Ewigkeit zum Lesen brauchte und auch eher mit gemischten Gefühlen nach dem Buch griff. Erst gegen Ende kam so etwas wie Spannung auf, so dass ich mal mehr als 100 Seiten am Stück lesen konnte.

Fazit: Leider hat Wo die Nacht beginnt es nicht geschafft an die Qualität von Die Seelen der Nacht anzuknüpfen: Baute sich im ersten Band die Spannung zunehmen auf, um in einem Cliffhanger zu enden, wurde sie hier komplett vernachlässigt, da die Ziele der beiden, die sie in die Vergangenheit führten nicht zielstrebig verfolgt wurden. Stattdessen steht die Liebesbeziehung der beiden für meinen Geschmack zu sehr im Vordergrund und hat zudem noch zu viele erotische Passagen, so dass ich oft die Gefahr sah, in diese typischen Vampir-Klischee-Romantic-Fantasy-Schiene zu verfallen, die ich eigentlich überhaupt nicht mag. Dem gegenüber steht der immer noch sehr gelungene, nicht überhetzte und atmosphäreschaffende Schreibstil der Autorin, der mir immer noch sehr gut gefällt und der Geschickte Einsatz der Episonden aus der Jetzt-Zeit. Alles in allem ein gutes Buch, das ich auch wirklich gern gelesen habe, das aber bei weitem nicht mit dem Vorgänger mithalten kann.