Kannst du dir wirklich trauen?
Bewertet mit 4.5 Sternen
Vor 10 Jahren, in einem heißen Sommer, starb ein kleines entführtes Mädchen einen grausamen Tod. Jens Brückner, der Verurteilte von damals, wird nun aus der Haft entlassen - um kurz darauf spurlos zu verschwinden. Es ist wieder Sommer, es ist wieder heiß... und mehrere Personen erhalten anonyme Drohbriefe und mysteriöse Anrufe. Als dann auch noch der Hauptbelastungszeuge von damals ermordet wird, scheint der Fall klar zu sein: Jens Brückner ist auf einem Rachefeldzug! Aber warum? Wurde er am Ende unschuldig verurteilt? Während Kommissar Arne Larsen noch dem alten Verbrechen nachspürt, verschwindet erneut ein Kind...
Das war spannend! Mal wieder ein Krimi, den ich am liebsten gar nicht aus der Hand gelegt hätte. Ohnehin sprechen mich Fälle, bei denen es um Kinder geht, besonders intensiv an - ein Gefühl, das sicher viele andere Leser nachvollziehen können. Das Schicksal des kleinen Mädchens ging mir richtig an die Nieren - und dann das nächste verschwundene Kind! Würde es hier auch so ein schreckliches Ende geben?
Aber es ging ja nicht nur um die Kinder. Stark im Vordergrund der Handlung steht die Psyche mehrerer Charaktere. Ganz eindeutig hat hier nicht nur eine Person ein Problem und das erhöht natürlich den Reiz! Da wird mit Schuldgefühlen gekämpft und unter Alpträumen gelitten, aber es wird nicht deutlich, ob diese Gefühle durch tatsächlich begangene Taten hervorgerufen werden oder vielleicht "nur" durch Erlebnisse. Verstärkt wird die seelische Pein noch dadurch, dass die Personen sich wohl selbst nicht immer sicher sein können, was sie getan haben. Stichworte hier: Verdrängung und Demenz. Entsprechend habe ich auch die Überschrift meiner Rezi gewählt: "Kannst du dir wirklich trauen?" Eine furchtbare Vorstellung, wenn man sich das fragen muss!
"Und du wirst dich beeilen müssen, Gregor. Wenn es mit deinem Gedächtnis so weitergeht - wie lange wirst du dann noch sinnvoll handeln können? Einen Tag, eine Woche, einen Monat?"
Die weiteren Charaktere kommen ebenfalls sehr menschlich rüber. Larsen beispielsweise hat Beziehungsprobleme und gerät immer wieder in Konflikte mit seinem Partner. Diese privaten Dinge hatten für mich genau das richtige Maß: Sie ließen mir die Personen nahe kommen ohne jedoch durch ein Zuviel die Spannung auszubremsen.
Es gibt also viel zu rätseln: Was passierte vor 10 Jahren? Und was geschieht nun? Wer verschickt diese anonymen Botschaften, wer ermordete den Hauptbelastungszeugen und was ist mit dem verschwundenen Kind? Dabei ist alles sehr eindringlich geschrieben, die extreme Wetterlage betont und intensiviert die Geschehnisse. Wie dunkle Wolken zieht die Bedrohung auf, sie hängt in der Luft, wird immer drückender.
Fazit: Psychologisch dicht und sehr eindringlich geschrieben. Ein tolles und spannendes Debut!