Rezension

Kaputt geschrieben

Opfer - Pierre Lemaitre

Opfer
von Pierre Lemaitre

Bewertet mit 3 Sternen

Es hätte ein spannendes Buch werden können, wenn...

Ja, wenn nur dieser verknappte Schreibstil nicht gewesen wäre!

Komissar Verhoeven muss zusehen, wie seine Lebensgefährtin bei einem Raubüberfall brutal zusammengeschlagen wird und macht sich natürlich auf die Jagd nach den Verbrechern.

Das klingt nach einer rasanten Verfolgungsjagd, die dem Leser den Atem raubt. Und irgendwie nach einer ziemlich emotionalen Geschichte, schließlich ist der Ermittler persönlich involviert.

Aber Herr Lemaitre schafft es, daraus ein graues Kammerspiel inklusive emotionslosem Gedankenstriptease zu machen. Ich kann es kaum in Worte fassen, aber er zerlegt die Handlung in kleine, scheinbar zusammenhanglose Bruchstücke aus Gedankenschnipseln, die mir als Leser keinerlei Gefühle vermitteln können. Komissar Verhoeven scheint mir mehr mit seiner geringen Körpergröße als mit den Schmerzen seiner Freundin zu kämpfen zu haben.

Der nächste Kritikpunkt: Anders als bei einem "gewöhnlichen" Thriller, bei dem Leser kleine Schnipsel mit Hinweisen zu Täter und Handlung vorgeworfen werden, aus denen er sich sein eigenes Bild zusammenbasteln kann, scheint man hier dem Komissar nur hinterher zu hecheln und hat ständig das Gefühl, als würden einem wesentliche Informationen fehlen, um die Handlung nachvollziehen zu können. Die Geschichte zeigt zwar ein paar überraschende Wendungen, die man aber kaum genießen kann, weil man ihre Bedeutung aufgrund fehlender Hintergrundinformationen einfach nicht begreift. Als würde man in der Mitte einer Geschichte feststecken, deren Anfang man verpasst hat (oder Band 3 einer Reihe lesen, ohne Band 1 und 2 zu kennen).

Ich möchte den Autor auch nicht grundsätzlich verschmähen, es ist das erste Buch von ihm, das ich gelesen habe. Vielleicht sind seine anderen Werke ganz anders und wesentlich verständlicher geschrieben, allerdings würde ich nach diesem Werk die Hände von ihm lassen, da in mir der Verdacht aufkeimt, dass sein Schreibstil und ich einfach nicht kompatibel sind.

Trotzdem möchte ich das Buch auch nicht vollkommen verteufeln. Es hatte durchaus ein paar gute Ansätze und der Grundtenor der Story hätte mir gefallen, wäre sie von einem anderen Autor geschrieben worden.

Fazit:
Meine Erwartungen gingen wohl in eine vollkommen andere Richtung als die Intentionen des Autors. Wer Lemaitre kennt, wird "Opfer" vielleicht lieben, ich tue es defintiv nicht.