Rezension

Katastrophenszenario Wassermangel als Folge des Klimawandels

Dry - Jarrod Shusterman, Neal Shusterman

Dry
von Jarrod Shusterman Neal Shusterman

Bewertet mit 4 Sternen

Erst vor kurzem wurde ich auf Neal Shusterman aufmerksam und habe mir bereits begeistert „Scythe – Die Hüter des Todes“ als Hörbuch angehört. Es stand gleich für mich fest, dass ich von diesem Autor unbedingt mehr lesen wollte und wurde darum sofort hellhörig, als ich erfuhr, dass er gemeinsam mit seinem Sohn Jarrod ein neues Buch veröffentlicht hat, in dem es um ein Katastrophenszenario geht, das in Zeiten, in denen die Meldungen über den Klimawandel nichts Gutes verheißen, gar nicht so weit weg zu sein scheint. Es geht um akuten Wassermangel.

Neal und Jarrod Shusterman widmen ihren Jugendroman „all jenen, die sich anstrengen, die katastrophalen Folgen des Klimawandels rückgängig zu machen“ und zeigen auf beängstigende Weise, wie schnell jegliche Form von Zivilisation auf der Strecke bleibt, wenn Menschen von heute auf morgen gezwungen werden, um den nächsten Schluck Wasser zu kämpfen.

Eigentlich müsste dieser Roman einen Warnaufdruck erhalten: Das Lesen dieses Buches macht unglaublich durstig und kann den Konsum von unzähligen Litern Tees oder sonstwie gearteten Durstlöschern verursachen. Ich hatte zumindest noch nie bei einem Roman das Bedürfnis so viel trinken zu müssen. Aber zurück zum Buch:

Der nationale Katastrophenschutz erklärt den Süden Kaliforniens zum Katastrophengebiet, die Supermärkte und Tankstellen sind auf der Jagd nach Wasser längst leer gekauft, selbst die letzten Eisvorräte sind aufgebraucht und auch vor dem abgestandenen Wasser in alten Tanks und gechlorten Schwimmbecken ekelt sich längst niemand mehr. In den Nachrichten heißt es nur, die Bewohner Kaliforniens sollen sich gedulden. Aber als das Problem nicht nur mehrere Stunden, sondern Tage bestehen bleibt, geduldet sich niemand mehr, denn es geht nur noch ums Überleben.

Erzählt wird der Roman aus unterschiedlichen Ich-Perspektiven, in der Hauptsache jedoch von fünf Jugendlichen, die über Umwege zueinander finden und deren Charaktere nicht unterschiedlicher sein könnten. Doch leider sind die lesbaren Erzählstimmen nicht individuell, sondern wirken eher wie aus einem Guss. Aber man kommt dennoch den Geschehnissen sehr nah und erlebt in meist kurzen flüssig erzählten Kapiteln auf schlüssige und nachvollziehbare Weise die unterschiedlichen Beweggründe und Herangehensweisen der Jugendlichen an die unterschiedlichen Problematiken.

Gepackt und nicht mehr losgelassen hat mich dieses Horrorszenario von der ersten Seite an. Das Gefühl von Durst ist unangenehm bekannt und das Wissen darum, dass ein Mensch nur wenige Tage ohne Wasser überleben kann, macht diese Geschichte so spannend und den Druck auf die Protagonisten so nachvollziehbar. Es ist immer wieder interessant zu lesen, wie sie reagieren, welche Maßnahmen sie ergreifen oder einst vorbeugend ergriffen haben, und man fragt sich unweigerlich, welche menschlichen Abgründe sich in einem auftun würden, wenn einen ein akuter Wassernotstand unmittelbar selbst beträfe. Die Autoren schwingen zwar nicht die hocherhobene Klimawandel-Warnleuchte, aber als Leser hört man sie doch, wenn auch sehr leise.

Das Ende des Buches erschien mir ein wenig zu schnell erzählt und übereilt abgehandelt, so dass ich mir insgeheim gewünscht habe, dass sich beispielsweise ein Herr Schätzing im Stil von „Der Schwarm“ oder ein Herr Elsberg im Stil von „Blackout“ ausführlicher diesem Thema angenommen und es weiter gesponnen hätte. Aber ich denke auch, dass es vermutlich den Rahmen dieses Jugendbuches, das ich sehr gerne las, gesprengt hätte. „Dry“ ist ein Buch zum eintauchen, sich unterhalten lassen und sich vor allzu Menschlichem zu gruseln. Aber es ist vielleicht auch ein Buch zum Nachdenken und Weiterdenken. Denn was wäre, wenn tatsächlich irgendwann auch unsere Wasserhähne einfach trocken blieben?