Rezension

Kein Buch für zartbesaitete Leser

Die Endlichkeit des Augenblicks - Jessica Koch

Die Endlichkeit des Augenblicks
von Jessica Koch

Inhalt:
Als Sam im Biergarten den attraktiven Basti erblickt, merkt sie gleich, dass zwischen ihnen etwas funkt. Ein erster Flirt, das erste Gespräch. Beim Abschied jedoch bleibt Basti sitzen und steht nicht auf, um ihr die Hand zu geben oder sie gar zu umarmen. Das, was auf den ersten Blick unhöflich erscheint, ist seiner Behinderung geschuldet. Basti ist querschnittsgelähmt und sitzt in einem Rollstuhl. Sofort überkommen Sam Zweifel: Wäre eine eventuelle Beziehung nicht voll von Schwierigkeiten, die seine Behinderung ihnen auferlegt? Doch Sam schiebt diese Zweifel beiseite. Sie trifft sich erneut mit Basti und muss feststellen, dass das offensichtliche Handycap nicht der Rollstuhl, sondern eher der beste Freund Josh ist, der ständig an Bastis Seite auftaucht. Denn Josh steckt voller Missmut, düsterer Gedanken und innerer Kälte. Er ist depressiv.
Sam begreift bald, dass sie den einen nicht lieben kann, ohne nicht auch den anderen in ihr Leben zu lassen.

Schreibstil:
Wer sich von „Die Endlichkeit des Augenblicks“ eine locker-leichte Liebesgeschichte erhofft, wird enttäuscht werden. Jessica Koch greift auch in ihrem neuen Roman eine sehr schwere Thematik auf und geht nicht zimperlich mit ihren Charakteren um.
Mit Basti lernt der Leser einen sehr lebensfrohen jungen Mann kennen. Auch, wenn ihm das Schicksal in der Vergangenheit nicht unbedingt gut gestellt war und ihn an den Rollstuhl gefesselt hat, lässt er sich nicht unterkriegen. An seiner Seite befindet sich stets sein bester Freund Josh, der mit einer sehr schweren Depression zu kämpfen hat. Schuld soll der Unfall sein, den beide bei einer Mutprobe erlitten haben. Doch auch Joshs familiäres Umfeld trägt stark dazu bei, dass er aus der seelischen Tiefphase nicht mehr heraus gelangen kann.
Während Basti sich mit seinem Schicksal abgefunden hat, ist es Josh, der gedanklich in der Vergangenheit lebt und dem das Ziel fehlt, um weiterzumachen. Er redet sich ein, dass er seinen besten Freund bis zu seinem Lebensende beschützen muss. Vor Verletzungen, nicht nur körperlicher, sondern auch seelischer Art. Das Mädchen aus dem Biergarten erscheint als eine Gefahr. Früher oder später wird sie Basti, ob seiner Behinderung und der damit verbundenen Schwierigkeiten verlassen.
Bald schon werden die Protagonisten, aber auch der Leser merken, dass sich die zwei besten Freunde oft selbst im Weg stehen. Das, was sie für den anderen zu tun bereit sind, schränkt ihre Freiheiten ein. Ihre gegenseitige Aufopferung lässt keinen Platz für eine dritte Person. Diese Tatsache begreift auch Samantha. Wenn sie mit Basti zusammen sein will, dann muss sie Josh an sich heranlassen und der macht es keinem Menschen in seinem Umfeld wirklich leicht ihn zu mögen.
Joshs Art war mir über die Seiten hinweg nicht sympathisch. Seine düstere Weltsicht ist gewiss seiner Depression zuzuschreiben. Einerseits beteuert er, dass er sein Leben für seinen Freund Basti geben würde und andererseits beschimpft er ihn aufs übelste. Er hält im seine Behinderung vor und sagt ihm, dass er niemals eine Freundin bekommen wird, dass er keine Familie gründen kann. An einem Abend trifft sich Sam mit Basti. Es ist eines der ersten Dates. Doch plötzlich steht Josh, mal wieder, vor der Tür. Es ist klar, dass Basti seinen besten Freund nicht der Tür verweisen kann und Sam weiß, dass sie sich in diesem Moment auch nicht zwischen die Freunde stellen kann. Josh wäre zu tiefst beleidigt und hätte das auch mit Worten und vermutlich Konsequenzen klargemacht. Die Drei verbringen also einen Abend miteinander. Als Josh nach Hause geht, ahnt er noch nicht, dass Sam länger da bleiben wird. Am nächsten Tag ist er erzürnt. Man möchte ihn nicht dabei haben. Man grenzt ihn aus. Basti tut sein bestes, um seinen Freund zu beschwichtigen.
Dieses Beispiel ist nur eines von vielen, das aufzeigt, dass das Leben mit Josh alles andere als einfach ist. Doch über die Seiten hinweg schafft der eh schon sehr missmutige und nicht gerade fair handelnde Freund sein Verhalten noch zu eskalieren. Mit seinem Verhalten riskiert er, dass sein „bester Freund“, für den er Anfangs bekundet hat, sein Leben aufzugeben, seinen eigenen Platz einnimmt und zusätzlich zu seiner körperlichen Behinderung auch noch einen seelischen Tiefpunkt erleidet, um selbst das zu bekommen, was ihn vielleicht retten könnte.
Sam hingegen versucht die Freundschaft zwischen Josh und Basti zu kitten und erleidet dann eine Enttäuschung, die ihren guten Willen untergräbt. Ihr guter Wille erst den einen und schließlich dem anderen zu helfen, sorgt dafür, dass sie auch stets jemanden verletzen muss. Auch sie handelt in einigen Situationen stellenweise bewusst zu Bastis Nachteil. Ich habe Basti bewundert für seine Lebensfreude, die die wichtigsten Menschen seines Lebens immer wieder zu zerstören drohen, für seinen inneren Kampf. Sam und vor allen Dingen Josh hingegen habe ich stellenweise verflucht.
Dieses Buch geht einem nahe, es wühlt emotional auf.
Wie auch bei der Danny-Reihe, zeigt die Autorin in ihrem neuen Werk, dass das Vordergründige hinterfragt werden sollte. Dass nicht immer alles so ist, wie es auf den ersten Blick vielleicht scheint. Sie führt den Leser hinter den Vorhang und ihm gefällt in der Regel nicht, was er dort sieht.

Fazit:
Die Endlichkeit des Augenblicks ist alles andere als eine locker-leichte Lektüre für zwischendurch.
Vielmehr eine Geschichte, in deren Mittelpunkt eine fatale Ménage-à-trois rund um die Protagonistin Sam steht. Ein Buch das von äußeren wie inneren moralische Grenzerfahrungen erzählt und den Begriff Selbstwert hinterfragt.
Es ist nicht leicht das Verhalten der Protagonisten zu verstehen, geschweige denn zu mögen.
Dieses Buch ist nichts für zartbesaitete Leser. Eher für die, die neugierig sind und immer einen zweiten Blick hinter die Beweggründe eines Menschen werfen wollen. Jessica Koch kennt die Welt und ihre Abgründe Sie erzählt aus der Nähe von den Bedingungen des Menschseins und der Natur des Menschen.