Rezension

„Kein Grund zur Sorge“

Kalmann - Joachim B. Schmidt

Kalmann
von Joachim B. Schmidt

Bewertet mit 4 Sternen

Der neue Roman von Joachim B. Schmidt ist ein sprachliches Literatur-Highlight, das auf Einfachheit in Wortwahl und Satzbau basiert. Der Stil des Romans folgt so dem Gemüt des sympathischen Titelhelden Kalmann Óðinsson, in dessen Kopf die Räder manchmal rückwärts laufen, der aber trotzdem in seinem überschaubaren Umfeld von Raufarhöfn als Kleinstwildjäger, Gammelhai-Produzent und selbsternannter Sheriff gut zurecht kommt.

Kalmann mochte ich sehr. Er ist aufgrund seiner geistigen Einschränkung ein Außenseiter, wird nie richtig ernst genommen, hat gleichzeitig ganz normale Bedürfnisse, beispielsweise sehnt er sich nach einer Frau. Obwohl die Chancen dafür schlecht stehen, ist er stets positiv gestimmt. „Kein Grund zur Sorge“ ist sein Lieblingssatz. Kalmann hilft seinen Mitmenschen, beschützt sie. Dank seines Großvaters, der ihm alles beigebracht hat, was ein Mann im Leben braucht, ist er dazu auch in der Lage.

In meinen Augen ist der Roman eine Auseinandersetzung mit den Lebensperspektiven von Menschen mit Handicap, ob dies nun auf einer Behinderung oder auf einer Krankheit beruht. Der Autor spielt regelrecht mit dem Leser. Er lässt Kalmann verrückte Dinge tun, so das man hin- und hergerissen ist. Wieviel selbstbestimmtes Leben ist erlaubt, wenn es doch gleichzeitig ein Risiko für den Betroffenen und andere darstellt? In diesem Zusammenhang fand ich die Gegenüberstellung von Kalmann’s Leben mit dem von Nói, seinem besten Freund, den er nur übers Internet trifft, überaus gelungen.

Eingebettet ist die liebevolle Geschichte von Kalmann in eine Krimihandlung, die in der wunderschönen Natur Islands stattfindet. Weite und Stille sind maßgeblich für die gezeichnete Landschaftsaufnahme. Der sogenannte König von Raufarhöfn ist verschwunden. So werden im Porträt einer aussterbenden Gemeinde, die ohne Fischfang keine Existenzgrundlage mehr hat, Täter gesucht, Fremde verdächtigt. Vorurteile und die Sensationsgier der Medien heizen die Stimmung an.

Die Geschichte lebt von Übertreibungen und überspitzter Darstellung. Das ließ mich an Stellen laut auflachen, an denen mein politisch korrektes Ich niemals lachen würde. Deshalb ist es dem Roman auch überhaupt nicht übel zu nehmen, dass die Handlung einen bestimmten Weg einschlagen muss, auch wenn dieser in der Realität vielleicht abwegig ist. Ich wurde sehr gut unterhalten und konnte eigene Vorurteile reflektieren.