Rezension

Kein Kriminalroman

Der stumme Zeuge - Edney Silvestre

Der stumme Zeuge
von Edney Silvestre

Bewertet mit 3 Sternen

Diese Rezension erscheint auch auf meinem Blog www.zeilenliebe.wordpress.com.

Allgemeines:

Der stumme Zeuge ist im Limesverlag erschienen und hat 224 Seiten. Dieses Buch hat mich interessiert, weil Brasilien durch die Olympischen Spiele zur Zeit auch politisch im Fokus steht. Zudem ist Silvestre von Haus aus Journalist und Fernsehmoderator und somit mit den politischen Verhältnissen in Brasilien bestens vertraut.

Inhalt:

„São Paulo, Brasilien: Ein kleiner blonder Junge wird mit einer Luxuslimousine von der Schule abgeholt. Minuten später ist der Fahrer des Wagens tot, das Kind in der Gewalt einer Söldnertruppe. Mit der Entführung soll der Vater des Kindes, der mächtige Medienmogul Olavo Bettencourt, zur Aufdeckung eines Korruptionsskandals der brasilianischen Politikelite gezwungen werden. Doch Bettencourt reagiert nicht auf die Forderungen und den Entführern läuft die Zeit davon. Sie bekommen Zweifel: Haben sie den richtigen Jungen in ihrer Gewalt?“ (Quelle: Verlagsgruppe Random House)

Meine Meinung:

Eigentlich fange ich keine Rezensionen mit dem Blick auf das Cover eines Buches an, bei Der stumme Zeuge bietet sich das aber wirklich an, weil es mich sehr anspricht und ich es für ausgesprochen gelungen halte: Farbwahl und optische Gestaltung lassen sofort einen Hinterhof in einem Dorf oder einer Stadt Südamerikas vor meinen Augen entstehen. Die Schattengestalt eines Kindes am Ende einer langen Treppe stehend, baut Spannung auf: Was passiert, wenn die letzte Stufe erreicht ist? Das helle Licht deutet auf etwas Positives hin. Der Titel unterstreicht zudem die Atmosphäre, die die Gestaltung des Covers hervorruft. Ein in sich stimmiges Layout, wie man es selten findet.

Die Geschichte selber hat mich leider nicht überzeugen können. Silvestre versucht in seinem schmalen Buch zu erzählen, wie brasilianische Politik, Korruption und Gesellschaft funktionieren. Dafür entwirft er Charaktere passend zu den verschiedenen gesellschaftlichen Stereotypen. Seine Geschichte kommt eher wie ein Film daher: ständig wechselnde Schauplätze, viele Protagonisten, die nur oberflächlich angerissen werden, sehr hohes Tempo, die Handlung betreffend. Hätte er sich mehr Zeit gelassen, die Geschichte und die Hintergrundgeschichten zu seinen Protagonisten zu entwickeln, wäre dieses Buch ein echter Lesegenuss. Denn dann hätte man wirklich einen Einblick in das gesellschaftliche und politische System Brasiliens erhalten. So könnte die Geschichte ebenso gut in Chile, Argentinien, Venezuela, Kolumbien oder einem anderen südamerikanischen Staat spielen.

Die Leserführung erfolgt durch die Kapitelüberschriften, die zeitliche Orientierung geben und das Lesen wirklich erleichtern. Man empfindet auch schnell Sympathien oder Antipathien und ist emotional in das Geschehen involviert. Mehr aber auch nicht!

Fazit:

Das Genre Kriminalroman passt meines Erachtens nicht. Es handelt sich eher um ein Buch, das einen Plot rund um mafiöse Strukturen, Geldwäsche und Korruption entwickelt und die dafür notwendigen Charaktere zur Verfügung stellt. Auch der Titel  passt im Nachhinein nicht, da der stumme Zeuge zwar stumm, aber eigentlich kein Zeuge ist. Ein Buch das man sicherlich lesen kann, das aber für mich keinerlei Nachklang erzeugt.