Rezension

Kein Liebesroman

Nach dem Winter - Guadalupe Nettel

Nach dem Winter
von Guadalupe Nettel

Bewertet mit 4.5 Sternen

Im Roman „Nach dem Winter“ der mexikanischen Autorin Guadalupe Nettel wird abwechselnd das Leben der beiden Protagonisten, Claudio und Cecilia erzählt. Claudio stammt aus Kuba und lebt in New York, Cecilia ist Mexikanerin und lebt in Paris. Wir erfahren viel über die Befindlichkeiten der Protagonisten, über Claudios Jugend und seine ungesunde Beziehung mit einer Frau, die er insgeheim zu verachten scheint, über Cecilias Hobby, Menschen auf dem Friedhof zu beobachten und ihre Freunschaft zu dem todkranken Nachbarn. Erst relativ spät im Buch lernen sich die beiden Protagonisten kennen und es sieht zunächst nach der Großen Liebe aus …

Die melancholische Stimmung des Buches wird schon beim Betrachten der Deckelabbildung vermittelt und bleibt auch die ganze Zeit über bestehen. Es geht viel um missglückte Beziehungen, um das Scheitern am Leben und an sich selbst, um die Einsamkeit in der Großstadt und in der globalisierten Gesellschaft. Beide Hauptfiguren sehnen sich nach Nähe, sind aber gleichzeitig unfähig, sich darauf einzulassen. Beide wollen, dass etwas passiert, haben aber nicht die Kraft, selbst ihr Leben zu ändern. Im letzten Teil des Buches geht es auch viel ums Sterben und Loslassen und letztendlich auch um einen Neuanfang.

Ich würde den Roman nicht als Liebesroman bezeichnen, auch wenn sich der Klappentext zunächst danach anhört. Es ist eher eine Meditation über Leben, Liebe und Tod in der modernen Gesellschaft. Das liest sich aber nicht so schwermütig, wie es jetzt vielleicht klingt, sondern durchaus tröstlich. Es bleibt immer die Hoffnung auf das, was nach dem Winter kommt. Obwohl ie Handlung nicht spannungsbetont ist, möchte man das Buch ungern aus der Hand legen, weil es so stimmig geschrieben ist und eine ganz eigene Atmosphäre erzeugt. Einzig die sehr chauvinistische Haltung von Claudio hat mich mit der Zeit etwas genervt, zumal er in dieser Hinsicht keine echte Weiterentwicklung erfährt.

Fazit: Ich freue mich, dass ich dieses Buch gelesen habe und kann es nur empfehlen. Am besten am Ende eines langen Winters zu lesen.