Rezension

Kein typischer Thriller

Ich bin Tess - Lottie Moggach

Ich bin Tess
von Lottie Moggach

Bewertet mit 4 Sternen

Das Cover dieses Buches gefällt mir ausnehmend gut, weil es vom sonst Üblichen abweicht und sehr neugierig auf den Inhalt macht. Darin geht es um Tess, die an ihrem Leben verzweifelt, ihre Depressionen nur mit starken Medikamenten einigermaßen in Schach halten kann und sich deshalb umbringen will. Um ihrer Familie und ihren Freunden Kummer zu ersparen, hat sie Leila angeheuert, die ihr Leben virtuell übernehmen soll.

Der Anfang ist etwas rätselhaft und ein wenig verworren, doch das gibt sich, als Leila berichtet, wie sich alles entwickelt hat. Die Thematik hat mich sofort angesprochen und besonders die nüchterne, fast akribische und detailreiche Schilderung, bezieht den Leser in die Handlung mit ein. Nach und nach kann man sich ein genaueres Bild von Tess machen und nachvollziehen, warum sie diesen Schritt gehen will. Allerdings hat mich die Haltung von Leila doch etwas erstaunt, da sie gerade so ihren Lebensunterhalt bestreiten kann, für ihren "Rundumservice" sogar ihre feste Anstellung kündigt und nur das absolute Minimum an Bezahlung verlangt. Auch wenn sie selbst psychisch vorbelastet ist und es aus reiner Nächstenliebe und Überzeugung tut, kommt es mir etwas zu weltfremd vor.

Die philosophischen und tiefgründigen Diskussionen, die in Leilas bevorzugtem Forum behandelt werden, stehen in krassem Gegensatz zu den Posts, die ihre "Freundinnen" im sozialen Netzwerk so von sich geben. Dieses Beispiel zeigt anschaulich, auf welch unterschiedliche Weise man das Internet nutzen kann!

Als Schwachpunkt empfand ich die Tatsache, dass keiner von den Protagonisten, zu Beginn des Projekts daran gedacht hat, dass zumindest die Eltern irgendwann auf einem persönlichen Kontakt bestehen könnten und ihre Tochter einfach besuchen würden. Auch wenn sie sich nicht besonders gut verstanden haben, würde sich doch keine Mutter auf Dauer nur mit E-Mails und Telefonaten hinhalten lassen...

Insgesamt unterscheidet sich dieser "Thriller" (den ich gar nicht so bezeichnen würde), sehr von den üblichen Büchern dieses Genres. Auf atemberaubende Spannung hofft man hier vergeblich, dafür regt die Handlung zum Nachdenken an und ist dennoch unterhaltsam. Mir hat das trotz der kleinen Schönheitsfehler sehr gut gefallen!