Rezension

Kein Vergleich zu Band 1

Das Buch der Knochen
von Natasha Narayan

Bewertet mit 2 Sternen

Story und Charaktere:

Kit Salter und ihre Freunde haben eine neue Gouvernante – Mrs. Glee. Schnell merkt Kit, dass mit dieser etwas nicht stimmt. Ständig lässt sie die Kinder während der Unterrichtsstunden allein, um ein Mittel gegen Magenschmerzen einzunehmen. Sowieso ist Mrs. Glee ganz und gar seltsam. Wie seltsam sie ist, finden die vier Kinder heraus, als sie unter Mrs. Glees Aufsicht entführt werden. Ihre altbekannten Feinde, die Gebrüder Baker, schicken sie auf eine Tour, die einen von ihnen das Leben kosten kann. Kit und ihre Freunde sollen in China das „Buch der Knochen“ für die Brüder beschaffen und damit sie nicht ablehnen können, wurde einer aus der Gruppe vergiftet. Ein Gegengift bekommen sie nur, wenn sie es schaffen, das Buch in ihren Besitz und zurück zu den Baker-Brüdern zu bringen.

Kit ist genau so, wie wir sie schon kennen: laut, forsch, abenteuerlustig und selbstbewusst. Auch in diesem Band trotzt sie der Etikette des englischen 19. Jahrhunderts und benimmt sich, wie sie sich benehmen will. Lieber saust sie auf ihrer Stute Jesse über die Wiesen und Felder, als sich als liebreizende junge Dame auf Bällen in diesen furchtbaren Ballkleidern zu präsentieren. Und wenn sie sich doch einmal so sehen lassen muss, dann versteckt sie sich am liebsten hinter Bergen von Süßigkeiten und anderen Leckereien, die solche Events zu bieten haben.
Florence Nightingale ist eines ihrer großen Vorbilder, da sie dieselben Ansichten über Frauen vertritt, wie Kit selbst es tut.
Willensstärke und Durchsetzungsvermögen sind zwei Eigenschaften, die bei Kit besonders ausgeprägt sind. Durch diese Eigenschaften handelt sie allerdings meist eher impulsiv und trifft unüberlegte Entscheidungen, die sie und andere in Gefahr bringen. Stärke und Tapferkeit sind jedoch zwei Dinge, die für sie an oberster Stelle stehen, wodurch die Vernunft gerne mal in den Hintergrund gerät.
Da Kit gerne Detektiv spielt und sehr abenteuerlustig ist, gerät sie immer wieder in brenzlige Situationen. Mit dabei sind immer ihre Freunde Waldo, Isaac und seine Schwester Rachel. Wann immer Kit das Gefühl hat, diese mit jemandem teilen zu müssen, reagiert sie fast schon aggressiv und legt eine eifersüchtige Seite an den Tag. Am liebsten hätte sie die drei nämlich ganz für sich allein. Mit Kit befreundet zu sein ist aber nicht immer einfach, denn durch ihr impulsives Handeln gerät nicht nur Kit selbst, sondern auch ihre Freunde in Gefahr. Sie würde diese allerdings niemals im Stich lassen, egal wie brenzlig die Situation auch sein mag.

Rachel ist ganz anders als Kit. Sie ist vernünftig, ruhig und vor allem findet sie es großartig ein Mädchen zu sein. Sie trägt gerne mal ein Ballkleid und zum Walzer zu tanzen findet sie wahnsinnig toll. Da sie sich gerne um ihr Aussehen bemüht, verwundert es nicht, dass ihre Tanzkarten auf dem Ball deshalb in Rekordzeit voll sind. Während Kit immer sehr spontan reagiert, denkt Rachel lieber einen Moment länger über eine Situation oder einen Plan nach, bevor sie ihre Meinung äußert, die nicht immer auf Anklang bei Kit stößt.
Wie auch ihr Bruder gehört Rachel zu den sehr empfindsamen Menschen, die sich die Dinge, die um sie herum geschehen, schnell zu Herzen nimmt. Immer versucht sie eine Lösung oder einen gesunden Kompromiss zu finden, um die Menschen um sich herum glücklich zu machen.

Isaac ist ein Träumer, der sich gedanklich meistens bei seinem neusten chemischen Experiment befindet. Technik und Chemie faszinieren ihn, was für die Gruppe sehr von Vorteil ist. Mit gewitzten Ideen hilft er der Gruppe nämlich immer wieder aus Krisensituationen, die sie alleine nicht gemeistert hätten. Von Kämpfen etc. hält er jedoch genauso wenig wie seine Schwester. Er hält sich lieber im Hintergrund und versucht alles möglichst friedvoll zu klären. Sonst greift er auf seine Experimente zurück, die ihre Feinde in die Flucht schlagen.

Waldo ist immer noch derjenige, der am meisten auf sich selbst hält. Gerne lässt er den Macho heraushängen, kann ganz schön stur sein und muss sich aus irgendeinem Grund immer wieder beweisen. Er spielt gerne den Helden und bietet sich auch mal freiwillig an, schwierige oder unmögliche Aufgaben zu übernehmen. Das tut nicht nur seinem Ego gut, er folgt damit auch seinem Beschützerinstinkt, den er gegenüber Kit entwickelt hat.

Yin ist ein neuer Charakter in diesem Buch, den die vier Kinder in Shanghai aus den Fängen eines Phrenologen befreien, der ihren Kopf und damit auch ihr Hirn studieren und der Welt präsentieren will. Yin ist wirklich etwas ganz Besonderes, denn sie kann in die Zukunft sehen. Sie sieht zwar nur Ausschnitte, doch genau deshalb will man sie in der Wissenschaft für sich beanspruchen. Sie ist ein sehr starker Charakter, der aber niemanden hinter die Fassade blicken lässt. Ihre Vergangenheit zeigt jedoch, dass sie vor der Sache mit dem Phrenologen ein glückliches Leben in einem Kloster geführt hat, wo sie unter anderem auch im Kung-Fu unterrichtet wurde. Zusammen mit ihrer Hilfe versuchen die Kinder nun das Buch der Knochen zu finden.

Natürlich sind auch in diesem Band wieder jede Menge Charaktere ganz vorne mit dabei oder tauchen im Hintergrund auf. Einige davon sind uns wohlbekannt, andere lernen wir neu kennen. Mir hat die Gestaltung der einzelnen Charaktere auch in diesem Band wieder sehr gut gefallen.

Was mir besonders gefallen hat: 

Der leichte und flüssige Schreibstil trägt den Leser auch hier wieder durch das Buch. Der Sprachstil ist wieder an der Ziel- und Altersgruppe orientiert und deshalb gerade auch für jüngere Leser leicht verständlich. Wie das erste Buch ist auch dieses in drei Teile geteilt, die wiederum in kurze Kapitel aufgeteilt wurden. Das erleichtert das Lesen für jünger Leser, die ihren Lesefluss nicht mittendrin unterbrechen müssen, sondern immer gut bis zum Kapitelende weiterlesen können. Die Schrift ist wieder groß genug, um den Lesefortschritt erkennen zu lassen, was ich bei einem Buch mit dieser Seitenzahl für jüngere Leser sehr wichtig finde.

Wie ich auch schon beim ersten Band angemerkt habe, eignet sich diese Reihe für Jungen und Mädchen. Zwar wird das Abenteuer aus der Sicht von Kit geschildert, doch da auch die anderen immer alle präsent sind, erhält die weibliche Seite keinen Überhang. Da Kit sowieso ein Wildfang ist, der lieber hätte ein Junge werden wollen, fällt die Tatsache, dass sie aber ein Mädchen ist, überhaupt nicht ins Gewicht.

Mit Spannung wird in diesem Band definitiv nicht gespart. Ein paar Seiten lang ist noch alles ganz harmlos, dann geht es aber schon im ersten Teil direkt los. Kit und ihre Freunde werden entführt, einer von ihnen wird vergiftet, zusammen werden sie auf einem Schiff nach Shanghai verfrachtet, wo sie ganz auf sich allein gestellt sind, um das Buch der Knochen zu finden. Keine leichte Aufgabe, die sie an noch viele weitere unterschiedliche Orte führen wird.
Das ist natürlich ein sehr schöner Zug der Autorin, die das Land China dem Leser auf diese Weise sehr viel näher bringt. Es wird nicht damit gespart Sitten und Gepflogenheiten zu erläutern oder die unterschiedlichen Schauplätze zu beschreiben. Auch geschichtliche Hintergrundinformationen fließen wieder mit in den Text ein, sodass sich auch jüngere Leser problemlos orientieren können.

Dass China kein Land ist, über das es nur Positives zu berichten gibt, hat auch die Autorin sehr ernst genommen. Sie weist auf Missstände hin, die man sich hierzulande gar nicht vorstellen kann. So ist zum Beispiel das Abbinden der Füße bei Frauen um diese klein zu halten ein Thema, das hier seinen Platz erhält. Auch Foltermethoden als Bestrafung krimineller Vergehen werden kurz angeschnitten. Das China des 19. Jahrhunderts ist definitiv kein Ort, an dem ich unbedingt hätte sein wollen.

Die einzelnen Charaktere der Kinder haben mir auch in diesem Band wieder sehr gut gefallen. Man merkt, dass sie inzwischen ein wenig älter sind und sich weiterentwickelt haben. Leser, die den ersten Band lesen und direkt im Anschluss die weiteren Bände, finden sich, je nach Alter, sicher schnell in den Charakteren wieder.

Was mir nicht so gut gefallen hat:

Einen sehr großen Platz nimmt das Thema „Opium“ ein. Von Anfang an ist die Abhängigkeit von dieser Droge sehr präsent. Mrs. Glee gehört zu denjenigen, die Opium dringender brauchen als die Luft zum Atmen. Darüber wird zu den Opiumkriegen hingeleitet, an denen England nicht ganz unschuldig war. Es ist zwar wichtig, Kindern auch diese Seite menschlicher Geschichte nahe zu bringen, doch finde ich, dass dieser Thematik und den daraus resultierenden Konsequenzen hier ein zu großer Platz eingeräumt wurde. In diesen Kriegen ging es schließlich darum, eine entfernte Kultur vorsätzlich mit einer Droge zu versorgen, die sie wirklich absolut abhängig macht. Der Konsum dieser Droge und was sie mit den Menschen macht, das sind zwei Themen, die für mich nicht in dieses Buch passen wollen.

Insgesamt finde ich, dass hier zu speziell auf die negativen Dinge Chinas eingegangen wurde.  Menschen- und Opiumhandel, abgebundene Füße, Folter – ich denke, das Buch wäre auch gut ohne diese Dinge ausgekommen. Für eine Altersgruppe, die mit den Protagonisten mitgewachsen ist – die also zwischen 13 und 14 liegen würde, wäre es okay, für 10-12jährige finde ich es jedoch zu viel des Guten.

Was mir in diesem Buch gefehlt hat, waren die vermittelten Werte, die in Band eins noch einen großen Bereich zwischen den Zeilen ausgefüllt haben. Viele Dinge scheinen einfach nicht mehr so wichtig oder aber sehr selbstverständlich, sodass diese im Hintergrund verschwunden sind. Das finde ich sehr schade, denn gerade das hat mir an Band 1 sehr gut gefallen.

Auch nicht gefallen hat mir das offene Ende. Da es keinen vierten Band gibt, weiß ich nicht, was die Autorin damit bezwecken wollte. Für den Abschluss dieser Reihe fand ich den Schluss jedenfalls ganz und gar unpassend und für ein Buch, das als Zielgruppe 10-12jährige hat, ebenfalls.

Gestaltung:

Auf blauem Hintergrund, auf dem schwach noch die Weltkarte zu erkennen ist, sieht man einen Jungen und ein Mädchen, die einen leuchtenden Schädel anschauen. Im Hintergrund steht die Statue eines chinesischen Kriegers, der auf die Situation herabzublicken scheint.
Ganz passend finde ich das Cover dieses Mal nicht. Es vermittelt eine ganz andere Vorstellung dessen, was das Buch beinhaltet. In keinem Moment kommt beispielsweise ein leuchtender Schädel in der Erzählung vor.

Wertung:

Da ich dieses Buch für das vom Hersteller empfohlene Lesealter zwischen 10 und 12 bewerten muss, muss ich leider so einige Punkte aufgrund meiner Kritik abziehen. Band 1 war in fast allen Bereichen sehr viel besser als Band 3, wodurch ich letzteren als nachlässig empfunden habe. Ich hätte mir einen besseren Abschluss der Reihe gewünscht. Ich vergebe für den flotten Schreibstil, die Spannung und die Charaktere deshalb 2,5 Lila-Lesesterne an diesen Band der Reihe.