Rezension

---kein wort---

Vox - Christina Dalcher

Vox
von Christina Dalcher

Bewertet mit 3 Sternen

In einer Welt, in der Frauen nur hundert Wörter am Tag sprechen dürfen, bricht eine das Gesetz. Als die neue Regierung anordnet, dass Frauen ab sofort nicht mehr als hundert Wörter am Tag sprechen dürfen, will Jean McClellan diese wahnwitzige Nachricht nicht wahrhaben – das kann nicht passieren. Nicht im 21. Jahrhundert. Nicht in Amerika. Nicht ihr. Das ist der Anfang. Schon bald kann Jean ihren Beruf als Wissenschaftlerin nicht länger ausüben. Schon bald wird ihrer Tochter Sonia in der Schule nicht länger Lesen und Schreiben beigebracht. Sie und alle Mädchen und Frauen werden ihres Stimmrechts, ihres Lebensmuts, ihrer Träume beraubt. Aber das ist nicht das Ende.Für Sonia und alle entmündigten Frauen will Jean sich ihre Stimme zurückerkämpfen.

Das Desaster ist nicht von außen gekommen, sondern durch eine demokratisch gewählte Seilschaft, genannt „Die Reinen“, um einen schwachen Präsidenten. Man ahnte die kommende Diktatur und mit ihr die Einschnitte in das private Leben schon vor der Wahl, denn die Politiker machten kein Hehl aus ihren Vorhaben, aber niemand glaubte, dass es passieren könnte. Warnrufe nannte man Panikmache, und Widerstand schien unnötig. Eigentlich hätten die Konsequenzen der politischen Befehle niemanden überraschen können, denn sie waren angesagt.

Aber nicht die Gegner des Systems sind in der Überzahl; die meisten Menschen, unter ihnen auch Frauen, marschieren willig mit auf dem Weg der Ausgrenzung. Nicht nur das Sprechen ist ihnen verboten; sie dürfen keiner Arbeit außer Haus nachgehen, nicht ins Ausland reisen, sogar der Pass wird ihnen entzogen.

Eine absurde Vorstellung, die Hälfe der Menschheit zum Schweigen zu bringen.

Eine absurde Vorstellung?

Passieren nicht inzwischen Dinge, die man nie für möglich hielt, auf den höchsten Ebenen von Politik, Wirtschaft und Kultur?

Diesen „Warnschuss“ sehe ich als das Zentrale des Romans. Im weiteren Verlauf entspricht das Buch einem Thriller, verarbeitet eine Liebesgeschichte und unterhält in erster Linie.

 

Für dystopische Romane, in dem Frauen in einer pseudo-religiösen Staatsdiktatur unterdrückt und als Menschen niederer Kategorie betrachtet werden, liegt die  Messlatte von „Der Report der Magd“ sehr hoch. Diesem Vergleich hält „Vox“ nicht stand

Die politische Brisanz, die angedeutet ist, trägt Dalcher nicht durch ihr gesamtes Buch; sie verschenkt Potenzial zugunsten Verfolgungsjagden durch Labore und einer Liebesgeschichte, die überflüssig ist und dem Buch Gestaltungsoptionen entzieht. Jeans Auseinandersetzungen mit ihrem Mann oder ihrem ältesten Sohn, die beide regimekonform erscheinen, bleiben an der Oberfläche haften, obwohl gerade in ihnen die ganze Tragik der verkorksten Entwicklung zutage tritt.

Ein interessanter Ansatz, ein starker Anfang, leider nicht durchgehalten, und ein erbärmliches Hollywood-Ende.