Rezension

Kein Zauber unter dieser Nummer

Magisterium - Cassandra Clare, Holly Black

Magisterium
von Cassandra Clare Holly Black

Bewertet mit 2 Sternen

Enttäuschung ist das Erste, was einem zu diesem Buch einfällt. Ich schätze Cassandra Clare mit ihrer Unterweltchronik und Holly Black mit ihren Spiderwicks sehr, aber was die beiden Damen hier abgeliefert haben, entspricht eher dem Niveau einer Harry-Potter-Fanfiktion. Und selbst bei denen habe ich schon Besseres gelesen, also darf man von Bestsellerautorinnen ein wenig mehr verlangen.

Kommen wir zur Geschichte selbst. Wir haben dort Call (Callum) Hunt, einen 12jährigen mit einem kaputten Bein und einer frechen Klappe. Sein ganzes Leben lang erzählt ihm sein Vater schon, dass Magier gefährlich sind und die Leute vom Magisterium schuld am Tod von Calls Mutter sind. (Das stimmt sogar, aber dazu komme ich später.) Wenn magisch begabte Kinder 12 werden, müssen sie zu einem Auswahlverfahren, um die Chance zu bekommen, im Magisterium aufgenommen und ausgebildet zu werden. Da Call von seinem Vater mit all den Schauermärchen erzogen wurde, setzt er alles daran, bei diesem Test durchzufallen – was er von Rechts wegen auch hätte tun müssen, wäre da nicht Master Rufus, der berühmteste Magier und Lehrer, der sich entschließt, ihn trotzdem aufzunehmen. Trotz seiner Angst muss Call mit und seine Lehre als Magier beginnen. Im Laufe der Zeit scheint es, dass die Geschichten seines Vaters vielleicht übertrieben waren, doch es gibt trotzdem genügend gefährliche Situationen, in denen er sich bewähren muss. Er findet sogar Freunde, die zu ihm halten, und dann geraten sie nicht nur in eine scheinbar ausweglose Lage, sondern Call erfährt ein Geheimnis, das sein gesamtes Leben zu erschüttern droht. Er muss sich entscheiden, zwischen dem einfachen und dem richtigen Weg …

Die Ähnlichkeiten zu Harry Potter sind so markant, dass sie einem geradewegs ins Gesicht springen und in die Nase beißen. Harry hat eine Narbe, Callum hat sein kaputtes Bein (welches übrigens die Magier nicht in der Lage sind zu heilen). Harry kommt mit 11 nach Hogwarts, Call mit 12 ins Magisterium. Harry wurde vorher als Freak angesehen, Call wurde als Freak angesehen, Harry findet zwei Freunde (ein Junge, ein Mädchen), Call findet … na? Wer's erraten kann, bekommt einen virtuellen Keks. Es gibt den typischen Widersacher von Harry … ähm, ich meine natürlich von Call, es gibt einen Neville-Typen, eine „Ginny“, die Har... Call anhimmelt. Master Rufus, der Ausbilder, ist eine Mischung aus Dumbledore und Snape, es gibt einen ultimativen Feind, der den Tod überwinden will und Seelen spaltet/wandern lässt (huch, kommt uns HP-Fans das in irgendeiner Weise bekannt vor? Ach, nein, nicht doch!).

Schon die Ausgangsbasis dieser Geschichte steht auf so klirrenden Frostfüßen, dass jeder warme Windhauch sie zum Schmelzen und Einstürzen bringt. Wer lässt seine Alten/Kranken/Wehrlosen ohne Schutz in einer Gegend zurück, die jeder Feind problemlos mit Levitationsmagie erreichen kann? Ohne Ausweg, ohne Flucht, ohne jede Chance? Wer? Diese Stelle ist es übrigens, auf die ich mich bezog, als ich meinte, dass Callums Vater Recht gehabt habe mit seiner Behauptung, Calls Mutter wäre wegen der Magisterumsleute gestorben.

12 Jahre später dasselbe Spiel: Da werden Kinder in einen gefährlichen Wald zu gefährlichen Tieren geschickt, um ein anderes Kind zu suchen. Angeblich sind die Erwachsenen in der Nähe, tatsächlich jedoch sind sie nicht da, als es brenzlig wird. Welcher verantwortungsbewusste Erwachsene lässt Kinder in der Obhut anderer Kinder zurück? Die Aufsicht hatte ein Drittklässler, der kaum über 14 sein konnte. Klasse, der Typ. Immerhin schafft er es ohne Anstrengung, einen zwei Jahre jüngeren Schüler einen steilen Abhang nach oben zu tragen. Muss ganz schön Workout betreiben, Respekt.

Master Rufus Unterrichtsstil gleicht der Ausbildung von Jackie Chan in diversen Hongkong-Knallern, in dem der jugendliche Held durch das Putzen einer Karateschule zum Karatemeister wird.

Überhaupt die Ausbildung. Ich fand dieses Thema schon bei Harry Potter problematisch, wenn Kinder ab einem bestimmten Alter keine vernünftige Allgemeinbildung mehr bekommen, sondern nur noch in einigen magischen Fächern unterrichtet werden. Hier jedoch wird das Ganze auf die Spitze getrieben bei der einseitigen Ausbildung durch einen Meister und dessen Vorlieben. (Die freitäglichen Abwechslungen kann man getrost als rein das betrachten: Abwechslungen.)

Der Plot wird nur durch Unlogik zusammengehalten. Also, Call, du musst ein Jahr mindestens durchhalten, sonst nehmen wir dir deine Magie. Nach dem Jahr können wir die Magie nicht mehr nehmen, weil … weil … weil … Keks. (Auch virtuell.)

Wir nehmen in der Regel auch nur die Besten in unser Magisterium auf, denn die können wir ausbilden. Alle anderen können sich nach Hause scheren, die müssen ihre Magie ja nicht beherrschen lernen. (Oder nehmen sie denen auch gleich die Magie und verdammen sie zu einem Leben in Elend? Fragen über die Fragen, die entweder gar nicht beantwortet werden oder mit einem „Is' so.“.)

Im Übrigen betätigen sich diese Magier auch als Kidnapper, und das scheint keinen zu stören. Mit physischer Gewalt wird einem Vater sein Sohn entrissen, was niemanden juckt. Der Vater hat auch nicht etwa die Polizei benachrichtigt, der sitzt zuhause und bläst Trübsal. Es wurde auch nie erklärt, warum er überhaupt zu diesem Treffen mit seinem Sohn hinfährt, wenn er so einen Hass auf die Magier schiebt. Man möchte eigentlich die ganze Zeit mit dem Kopf auf dem Tisch aufschlagen.

Fazit: Hier haben zwei Weltklasseautorinnen eine nicht durchdachte Harry-Potter-FF geschrieben und den Stoff Weltklasse gegen die Wand gesetzt.

Kommentare

Lotta kommentierte am 07. Dezember 2014 um 19:19

Das finde ich wirklich schade, aber danke für deine Rezension. So werde ich das Buch in meiner Wunschliste mal ein wenig nach unten schieben. Oder mich eher fragen: Soll ich es wirklich lesen?