Rezension

Keine einfache Geschichte

Ich war Diener im Hause Hobbs - Verena Roßbacher

Ich war Diener im Hause Hobbs
von Verena Roßbacher

Bewertet mit 5 Sternen

Unterhaltsam, niveauvoll und wunderbar erzählt! Ach ja: Und beileibe keine einfache Geschichte!

Der junge Diener Christian Kaufmann nimmt in Zürich eine Stellung im Haushalt der Familie Hobbs an. Als er seinen Arbeitgeber tot auffindet, beginnt er, seine Erinnerungen zu durchforsten und Teil um Teil zusammenzutragen, um die Geschehnisse zu verstehen. Er beginnt seinen Bericht mit dem Satz „Dies ist eine einfache Geschichte“. Man könnte also etwas Nebensächliches, schlimmstenfalls Langweiliges erwarten. 

Doch Verena Rossbacher beschenkt Christians peniblen, ordnungsfanatischen und anpassungswilligen Charakter neben der Gabe des präzisen Hinschauens mit einer gehörigen Portion Ironie und kreiert so leisen und geistreichen Humor zwischen den Zeilen. Zunächst mutet der verschnörkelte Schreibstil sehr aus der Zeit gefallen an, sogar etwas anstrengend, was  wiederum viel über den Ich-Erzähler ausdrückt. Substantive und die ihnen zugesellten Adjektive gehen mitunter recht ungewohnte Verbindungen ein, über die man stolpert und dann notwendigerweise hinein spüren muss, um die unverbrauchte Gesamtbedeutung wahrzunehmen („bauchiges Unterwassergeräusch“ = Skypeton) .

Jenseits des Üblichen sind auch die weiteren Personen. Individuen bis in die Fingerspitzen, werden sie aufeinander losgelassen und erschaffen in ihren Interaktionen laufend neue Aspekte und kaleidoskopische Verschiebungen. Unvergessen bleibt sicher die Fotografin Rosl Draxner, die über Jahrzehnte ihre Opfer gegen deren Willen ablichtet, ebenso Freund Gösch, der so wunderbar seine männliche Meinung zur Frauenkategorisierung vornimmt, vielleicht auch die Arbeitgeberin Bernadette in ihrem unbeschwerten Lebensgefühl. 

In seiner Erzählung holt Christian weit aus. Mit scheinbar Belanglosem unterbricht er fortgesetzt sich selbst. Kehrt in seine Kindheit zurück, zu seinen Freunden, seiner Ausbildung. Immer verworrener stellt sich alles dar, bleibt offen, lässt ahnen, dass da noch mehr kommt, dass etwas schlummert bis zum Schluss, während er kunstvoll um den Kern herum mäandert. Man lässt sich ein in der Gewissheit, dass dies ganz und gar keine einfache Geschichte sein wird. 

Möge dieses wirklich besondere Buch, dem nicht an Eile noch an Aktion gelegen ist, wohl aber an hohem Lesegenuss, seine Wertschätzenden finden.