Rezension

Keine klare Meinung

Schnee in Amsterdam - Bernard MacLaverty

Schnee in Amsterdam
von Bernard MacLaverty

Bewertet mit 3 Sternen

Selten war ich bei der Bewertung eines Buches so hin- und hergerissen wie hier bei „Schnee in Amsterdam“ von Bernhard MacLaverty. Mir gefällt die verwendete Sprache, der Wechsel zwischen aktueller Handlung und Erinnerungen. Ich mag auch die intensive Betrachtung des eher kurzen Handlungszeitraumes. Probleme habe ich mit der Thematik, die ich auf Basis des Klappentextes so nicht erwartet hatte.

Bernhard MacLaverty zeichnet ein liebevolles Bild eines schon lange Zeit verheirateten Ehepaars, das eine Reise nach Amsterdam unternimmt. Sein Blick fällt dabei auch auf die ganz kleinen Dinge, die Stellas und Gerrys Leben bestimmen. Beispielsweise haben beide kleine Ticks, die kurz vor Antritt der Reise zum Tragen kommen. Stella saugt nochmal eben letzte Staubkörnchen weg, obwohl niemand zu Hause bleibt, um davon Notiz zu nehmen. Gerry ruft schon nach fünf Minuten Verspätung den Taxidienst an, obwohl er dort wie viele Male zuvor die Auskunft bekommt, dass das Fahrzeug bereits unterwegs ist. Während der Reise kann der Leser an den Neckereien nach dem Motto „Was sich neckt, das liebt sich“ zwischen den Eheleuten teilhaben. Die Liebe, die Stella und Gerry für einander empfinden, wurde für mich ganz besonders transparent, wenn sie sich an gemeinsame, vergangene Zeiten erinnern. Diesen Teil der Geschichte fand ich sehr schön.

Etwas irritiert war ich bezüglich der Thematik, mit der ich mich plötzlich konfrontiert sah. Gerry ist alkoholabhängig. Obwohl der Teufelskreis der Alkoholsucht aus Beschaffung und Vertuschung wirklich gut ausgearbeitet war, konnte ich mich mit diesem Thema nicht anfreunden. Zeitweise fand ich beide Charaktere abstoßend, Gerry, weil er komplett die Kontrolle beim Trinken verliert, und Stella, weil sie in meiner Wahrnehmung zu lange überhaupt nicht versucht gegenzusteuern.

Weniger irritierend, für mich dennoch befremdlich empfand ich Stellas Glauben. Vermutlich ist das in meiner Nichtgläubigkeit begründet.

Die Einbettung der gemeinsamen Vergangenheit in den Nordirlandkonflikt wäre in meinen Augen entbehrlich gewesen. Ich konnte keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Sucht und den Geschehnissen während des Konflikts erkennen. Eine Verbindung zu Stellas stark ausgeprägten Glauben kann ich schon eher ausmachen. Dennoch wirkt die Einbettung in den Konflikt auf mich irgendwie aufgesetzt.

Insgesamt weiß ich gar nicht so recht, wie ich mein Urteil fällen soll. Auf der einen Seite würde ich dem Autor Unrecht tun, mit einer schlechten Bewertung. Die Sprachgewalt war ganz wunderbar und die Symptome der Alkoholsucht waren glaubwürdig beschrieben. Trotzdem hat mir das Buch nicht gefallen, weswegen auch eine Top-Bewertung nicht möglich ist. Es ist möglich, dass ich nur so empfinde, weil ich inhaltlich etwas ganz anderes erwartet hatte und damit nicht auf die Auseinandersetzung mit dem schwierigen Thema Sucht eingestellt war. Deshalb werde ich auch keine Empfehlung für oder gegen „Schnee in Amsterdam“ aussprechen.