Rezension

Keine leichte Kost!

Die unterirdische Sonne - Friedrich Ani

Die unterirdische Sonne
von Friedrich Ani

Bewertet mit 4 Sternen

Der erste Satz
"Ich hab keine Angst, hab ich nicht ..."
 
Meine Meinung
Inhalt
Der absolute Albtraum von sechs Jugendlichen wird zur gnadenlosen Realität: Sie werden auf einer Insel in einem Keller eines alten Hauses gefangen gehalten. Jeden Tag wird einer von ihnen in die Wohnung geholt, doch was sie dort erleiden müssen, dürfen sie niemandem von der Gruppe erzählen - Sonst werden sie sterben. Tag für Tag lassen sie die Dinge so geschehen, wie sie von den Entführern gemacht werden. Die Jugendlichen fangen an zu verzweifeln, werden immer verstörter und auch aggressiver. Dann stößt plötzlich Noah zur Gruppe, der sich nichts gefallen lassen möchte. Doch wird es ein einzelner Kämpfer schaffen alle auf seine Seite zu ziehen, damit ihnen vielleicht die Flucht gelingt?

Dass sie überhaupt noch am Leben war, kam ihr wie ein Wunder vor. Eigentlich wollte sie nicht mehr leben. Angst zu sterben hatte sie trotzdem.
Seite 43

Charaktere
Sophia ist vierzehn Jahre alt und ein sehr gläubiges Mädchen. Selbst in dieser aussichtslosen Situation glaubt sie an den Herrn und daran, dass er sie retten wird.
Maren ist dreizehn. Sie ist so traumatisiert, dass sie während der Entführung zur Stotterin wurde.
Eike ist elf und somit der Jüngste von allen. Dies merkt man auch an seinem Verhalten und seinen Emotionen sehr deutlich.
Noah kommt zum Schluss zur Gruppe hinzu. Er ist derjenige, der sich wehren möchte. Der alle aus der Gefangenschaft befreien will.
Conrad (16) und Leon (13?) machen die Truppe komplett

Wie das Lachen ging, wussten sie nicht mehr.
Auch ihr Lächeln nahmen sie nicht wahr. Sie meinten, ihre Lippen würden bloß sinnlos zucken.
Seite 280   

Gesamt
"Die unterirdische Sonne" ist in drei Akte aufgeteilt. Im ersten lernen wir erstmal die ganzen Jugendlichen besser kennen. Was sie vorher gemacht haben, wie sie vorher gefühlt haben, was für soziale Bindungen, aber auch was sie für Träume hatten. Die Dinge aus der Vergangenheit wechseln sich mit ihrer jetzigen Gefühlslage ab. Eigentlich finde ich die Idee die Geschichte aufzuteilen und im ersten Teil alle Charaktere zu beschreiben sehr gut. An der Umsetzung mangelte es nach meinem Empfinden jedoch total. Friedrich Ani springt von Charakter zu Charakter und zwar meist so schnell, das ich gar nicht hinterher gekommen bin. War ich noch mitten bei der sensiblen Maren, wurde plötzlich über Fußball gesprochen und man befand sich in der Gefühlswelt von Conrad. Diese Wechsel waren mir leider viel zu hektisch und auch nicht gut genug gekennzeichnet, was mir den Einstieg in die Geschichte bedauerlicherweise sehr schwer gemacht hat.
Im zweiten Akt, wenn man sich mit den einzelnen Personen angefreundet hat, geht es etwas mehr in die Tiefe. Wir erleben, wie sich die Jugendlichen in ihrem Keller-Gefängnis entwickeln, spüren ihre Verzweiflung und würden selbst gerne hinfahren und sie da raus holen. In diesem zweiten Teil erzählt jeder der Protagonisten ein Märchen, welches mir bei jedem einzelnen von ihnen eine Gänsehaut bereitet hat...
Vom dritten Akt möchte ich gar nicht so viel erzählen, nur das er ein für mich zufriedenstellendes Ende bereit hält...
Auf der Rückseite von Friedrich Anis Werk steht zurecht der Hinweis, dass das empfohlene Lesealter ab 16 Jahren ist. Am Anfang konnte ich mir diesen Hinweis noch nicht so ganz erklären, wurde jedoch im Laufe der Zeit eines besseren belehrt. Ich kann und möchte mir nicht vorstellen, wie jüngere dieses Buch lesen und sich in diesem abscheulichen, beängstigen Keller-Gefängnis wieder finden und sich vielleicht auch noch so in die Geschichte hinein denken, dass sie noch selbst ein Teil davon werden.
Mit jeder Seite habe ich die Verzweiflung und den kalten Angstschweiß der Protagonisten gespürt. Ihre Lage ist so aussichtslos, wie sie nur sein kann und ihre Erfahrungen, die sie oberhalb ihres "Knastes" durchleben müssen, mag ich mir gar nicht vorstellen. Friedrich Ani geht nicht im Detail darauf ein, was den Jugendlichen widerfährt, dies ist aber auch gar nicht nötig. Die kleinen, gekonnt versteckten Hinweise reichen völlig aus, um sich das schreckliche Ausmaß vorstellen zu können. Ich kann gar nicht sagen, welcher der sechs Protagonisten mir am meisten Leid getan hat und mit welchem ich am meisten mit gelitten habe. Die Erlebnisse und Emotionen von nämlich allen haben mich total aus der Bahn geworfen.
Nachdem ich den holprigen Start hinter mich gebracht hatte, war ich schließlich wie besessen von dem Roman. Ich musste die einzelnen Neuigkeiten verschlingen und aufsaugen, weil ich zwar erschüttert, aber sogleich doch so unglaublich neugierig war, wie es wohl weiter gehen wird und vor allem: Ob die Jugendlichen es irgendwie schaffen, sich aus ihrer "misslichen" Lage zu befreien.

Fazit
Am Anfang für mich noch unverständlich, unterschreibe ich nun völlig den Hinweis, dass Jugendliche unter 16 Jahren diesen Roman besser nicht lesen sollten. Es ist kein Buch über Geschichten, die völlig fiktiv sind, sondern eher ein Roman über Vorkommnisse, die, (wenn vielleicht auch anders) schon mal in einen ähnlichen Form geschehen sind. 
Friedrich Ani hat mit "Die unterirdische Sonne" einen über lange Strecken spannenden Roman erschaffen, der einen auch am Ende noch fassungslos und nachdenklich zurück lässt. 
Man sollte dieses Buch nicht mal eben zwischendurch lesen, sondern sich Zeit dafür nehmen, denn die Geschichte ist absolut keine leichte Kost. 
Ich spreche trotz meiner Startschwierigkeiten eine absolute Empfehlung aus!
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