Rezension

Keine ruhige Minute

Der Heimweg - Sebastian Fitzek

Der Heimweg
von Sebastian Fitzek

Bewertet mit 4 Sternen

Es ist Samstag, kurz nach 22.00 Uhr. Jules Tannberg sitzt am Begleittelefon. Ein ehrenamtlicher Telefonservice für Frauen, die zu später Stunde auf ihrem Heimweg Angst bekommen und sich einen telefonischen Begleiter wünschen, dessen beruhigende Stimme sie sicher durch die Nacht nach Hause führt - oder im Notfall Hilfe ruft. Noch nie gab es eine wirklich lebensgefährliche Situation. Bis heute, als Jules mit Klara spricht. Die junge Frau hat entsetzliche Angst. Sie glaubt, von einem Mann verfolgt zu werden, der sie schon einmal überfallen hat und der mit Blut ein Datum auf ihre Schlafzimmerwand malte: Klaras Todestag! Und dieser Tag bricht in nicht einmal zwei Stunden an ...

Meine Meinung: 

Die Geschichte rund um den Heimweg finde ich extrem gelungen. Das Heimwegtelefon ist mir bekannt, ich habe es aber nie genutzt, weil ich in den Momenten, in denen es angebracht wäre, doch nicht daran gedacht habe. Dabei glaube ich wirklich, dass es in vielen Momenten recht hilfreich und beruhigend für mich gewesen wäre. Dass Herr Fitzek dieses Thema wählt, finde ich deshalb sehr gut. 

Auch das Thema rund um häusliche Gewalt, Vergewaltigung in der Ehe usw. finde ich sehr wichtig und sehr gelungen beschrieben. Ich habe in Rezensionen häufig gelesen, dass Leser dies zu brutal und gewalttätig fanden. Ich finde dagegen besonders wichtig, dass der Autor hervorhebt, dass es dieses Thema viel häufiger gibt als wir glauben und es nicht in Vergessenheit gerät. Natürlich sind hier viele Ideen und Situationen gruselig, brutal und verstörend, aber ich glaube man darf auch nicht vergessen, dass das gar nicht so weit hergeholt ist. Mir persönlich war das Ganze auch nicht zu blutig oder gewalttätig. Vielleicht bin ich aber auch nicht zartbesaitet genug. 

Während des Lesens habe ich häufig kritisiert, dass der Autor oft mit Extremen arbeitet und deshalb die Realität etwas verloren geht und man eigentlich immer weiß, dass es so niemals wirklich geschehen würde. Ich möchte hier aber etwas vorweg nehmen, was Herr Fitzek in seiner Danksagung sagt (KEIN Spoiler). Er sagt, dass ihm oft vorgeworfen wird, dass er zu unrealistisch schreiben würde, aber er genau das will. Weil er eben nicht dieses "Ja stimmt, so wurde mein Bekannter wirklich ermordet" hervorrufen will, sondern stattdessen unterhalten möchte. Und dabei nicht die Ängste, Sorgen und den Kummer der echten Welt in uns wecken möchte. Irgendwie hat mich das zum Nachdenken angeregt. 

Der Verlauf der Geschichte ist durchgehend spannend, es gibt nicht eine entspannte Situation oder einen entspannten Dialog. Es ist immer auf Spannung pur ausgelegt und man darf nicht eine Sekunde verschnaufen. Das ist sehr stressig, aber natürlich auch sehr spannend, weil man das Buch gar nicht aus der Hand legen will. 

Einen Stern muss ich dennoch abziehen, weil mir eine Sache inzwischen bei Herrn Fitzek einfach nicht gefällt. Ich glaube, diesen Aspekt bemerkt man erst, wenn man mehrere Bücher von ihm gelesen hat, aber je mehr man liest, desto mehr stößt es einem auf. Herr Fitzek möchte einen einfach immer mit Paranoia oder Schizophrenie oder einer anderen psychischen Erkrankung in die Irre führen. Immer wieder wird diese Möglichkeit in seinen Büchern thematisiert, was dazu führt, dass man keinem Charakter mehr glaubt, weil es ja sein könnte, dass dieser einfach nur eine paranoide oder schizophrene Phase hat. Natürlich ist es ein gutes Mittel, aber es ist auch sehr anstrengend, wenn man das jedes Mal von seinen Figuren erwartet. 

 

Fazit: 

Eine sehr spannende Geschichte, die wichtige, aber auch sehr gruselige Thematiken auf schonungslose Weise erzählt. Als Leser hat man nicht eine ruhige Minute, sondern ist zu jeder Zeit voller Spannung. Einen Stern ziehe ich ab, weil es mir nicht gefällt, dass der Autor immer wieder die gleichen Mittel nutzt, um seine Leser in die Irre zu führen.