Rezension

King beweist durchaus kriminalistisches Geschick

Mr. Mercedes
von Stephen King

Bewertet mit 4.5 Sternen

Eine kalte Aprilnacht in den USA, die Rezession treibt hunderte verzweifelte Arbeitsuchende dazu, sich in einer endlosen Schlange vor der Jobbörse anzustellen. Männer, Frauen und sogar ein Baby - sie alle sind voller Hoffnung und dann taucht plötzlich ein grauer Mercedes auf und rast ungebremst in die wartende Menge. Es gibt unzählige Tote und Verletzte, doch der Täter konnte nie gefasst werden und noch Monate nach seiner Pensionierung nagt diese Tatsache an dem ehemaligen Detective Bill Hodges, der mit dem Fall des Mercedes-Killers betraut war. Und dann erhält er eines Tages einen Brief vom Mercedes-Killer und Hodges rollt den Fall erneut auf, er beginnt auf eigene Faust zu ermitteln, fest entschlossen, den Killer dieses Mal dingfest zu machen. Die Jagd beginnt.

Leseeindruck:
Vorweg: Das Cover gefällt mir ausnehmend gut und dieses Mal wurde auch der Originaltitel übernommen und so gab es keinerlei Eigentümlichkeiten bei der Übersetzung. Sowohl der abgebildete Regenschirm als auch der Eiswagen auf der Rückseite stehen im direkten Zusammenhang mit der Geschichte. Überhaupt gibt es bei "Mr. Mercedes" keine großen Überraschungen, wenn man die Lektüre unvoreingenommen angeht. Das habe ich getan und wurde so auch keineswegs enttäuscht. Beworben wurde "Mr. Mercedes" als Thriller, doch empfinde ich Kings neuestes Werk eher als Krimi (mit einigen Thrillerelementen) oder einfach nur als Roman (wie auch auf dem Cover zu lesen ist).

Die Tat des Mercedes-Killers wird direkt im ersten Kapitel erzählt, dabei beschreibt uns King in seiner gewohnt detaillierten Art zunächst die Opfer genauer, um dann schonungslos, beinahe sachlich, den Mord an sich zu schildern. Anschließend lernen wir Bill Hodges kennen und hier schlägt King ganz ruhige Töne an, das Ganze gleicht fast einer Charakterstudie.
Hodges ist ein behäbiger, ehemaliger Detective, der seinen Ruhestand nicht wirklich genießt. Seine Ehe ist schon vor langer Zeit in die Brüche gegangen und sein einziger Freund ist Jerome, ein farbiger Junge aus der Nachbarschaft, der Hodges Rasen mäht und ihm hin und wieder bei Problemen mit seinem Computer hilft. Die endlosen Nachmittage verbringt Hodges gelangweilt mit Snacks vor dem Fernseher und immer wieder sieht er sich mit der Sinnlosigkeit seines Lebens konfrontiert.
Hodges gegenüber stellt King den Mercedes-Killer, dessen Identität dem Leser von vornherein bekannt ist. Brady Hartsfield ist ein hochintelligenter Psychopath, der sich hervorragend auf die Manipulation anderer Menschen versteht.

Was macht denn nun für mich diesen Krimi-Roman lesenswert?
Die Antwort ist simpel: Es ist immer wieder faszinierend wie King es schafft, das "Kleine" ganz großartig zu erzählen. Die Charaktere sind plastisch und haben jeder für sich Tiefe. Es macht Spaß die Handlung zu verfolgen und sich auf Spurensuche mit Hodges und seinen Freunden zu begeben. Die stete dunkle Gefahr, die von Brady ausgeht, sitzt einem beim Lesen im Nacken und man möchte einfach immer weiterlesen, um endlich von der Spannung erlöst zu werden.
Während des Lesens, hatte ich die Personen und Handlungsorte immer direkt vor Augen, King kreiert einen Film vor meinem geistigen Auge und erzeugt dabei stets eine besondere Atmosphäre

Warum keine 5-Sterne-Bewertung?
Hierfür gibt es zwei Gründe: Zum einen konnte mich Hodges, was seine Fähigkeiten als Ex-Cop betrifft, nicht komplett überzeugen. So entstanden einige Längen, weil er ab und an einfach zu lange brauchte, um die richtigen Schlüsse zu ziehen. Zum anderen wurde mir das Thema "Fettleibigkeit" zu sehr in den Vordergrund gerückt. Ich selbst bin ein sportlicher Mensch und es ist deshalb nicht mein Thema, umso bezeichnender ist es, dass es mir derart aufgefallen ist, zumal das Dicksein keinerlei Rolle für die Story an sich spielt. Mir hat das etwas aufgestoßen.

Fazit:
Wer gerne Krimis mit Thrillerelementen liest und dabei wert auf sehr gut ausgebaute Charaktere legt, für den ist "Mr. Mercedes" definitiv lesenswert. King konnte mich auch in diesem Genre überzeugen und mit seinem fantastischen Schreib- und Erzählstil begeistern. Ich bin gespannt auf die Folgebände.