Rezension

Klasse!

Die Geschichte von Blue
von Solomonica de Winter

Tatsächlich fand ich den Verlag „Diogenes“ früher immer irgendwie langweilig. Jedes Buch sieht ähnlich aus, und meistens sind es auch komische Titel und Autoren von denen man entweder noch nie was gehört hat oder aber schon zu viel gehört hat (ich meine, wie viele Titel von Donna Leon kann es im Diogenes-Verlag eigentlich geben? Die sieht man gefühlt überall und immer gleich haufenweise).

Aber vor kurzem haben sich tatsächlich einige Titel in meine Wunschliste eingeschlichen, die im Diogenes-Verlag erschienen sind und nicht zuletzt wegen der Cover oder einfach dem unglaublich interessant klingenden Plot der Geschichten. Eines davon war „die Geschichte von Blue“, geschrieben von Solomonica de Winter, die, wie ich herausfand, gerade einmal 19 Jahre alt ist. Diesen Roman, ihr Debüt, schrieb sie allerdings bereits mit 16. Weil 19 ja noch nicht erstaunlich genug klingt. In der Presse und im Netz liest man unglaublich viel Positives über dieses Debüt. Es würde einen umhauen! Faszinierend, wie ein junges Mädchen, ja ein Kind, schon solche Wörter in die Welt hinausschleudern könne, als hätte sie ihr gesamtes Leben noch nichts anderes getan! Abgebrüht, brutal und literarisch schon so wertvoll, wie man es bei wenig anderen Autoren lesen würde. Sogar mit Bukowski wird sie verglichen, na da muss man ja neugierig werden.
Gelesen hat es sich tatsächlich recht schnell, vielleicht gerade weil Frau de Winter einen solch flüssigen Schreibstil mit genau der Wortgewalt mischt, die prophezeit wird. Die Geschichte ist recht simpel und man hat das Gefühl, sie bereits mehrmals irgendwo gelesen oder gesehen zu haben, was dem Ganzen aber keinen Schaden zufügt.

Ein 13-jähriges Mädchen, das ihren Vater bei einem missglückten Raubüberfall verliert, da sich dieser bei einem Gangsterboss á la Pulp Fiction verschuldet und dadurch das eigenen Grab bereits selbst geschaufelt hatte. Die Mutter, drogenabhängig und völlig gaga, bekommt kaum mehr was von der Wirklichkeit um sich herum mit und ist dabei, ihre Tochter ohne Sinn und Verstand zu vernachlässigen. Da kann man fast nichts anderes als verrückt werden. Blue spricht ab dem Todestag des Vaters kein Wort mehr, und verstrickt sich unausweichlich in die blühendsten Mordfantasien über den vermeindlichen "Mörder" ihres Vaters, deren Wortlaut tatsächlich an die derbe Schonungslosigkeit eines Bukowskis erinnern. Nur das Buch „der Zauberer von Oz“ scheint ein Heilmittel für sie zu sein, in das sie sich flüchten kann, da sie es so verehrt, dass man als Leser durch diese bedrohliche Mischung aus Hingabe und Wahn, Besessenheit und Hass zwischen Wirklichkeit und Fiktion ein böses und explosives Ende vermutet und auch serviert bekommt. Denn bereits zu Beginn der Geschichte erfährt man, dass dieses 13-jährige Mädchen tatsächlich zwei Menschen umbringen wird und am Ende der Geschichte, in der Psychiatrie landet, aus der sie dann ihre Geschichte berichtet. Doch der tatsächliche Schluss haut die ganzen aufgebauten Erwartungen nochmal im Viereck herum, so kalt erwischt er einen.