Rezension

Kleine Schwächen, die von der Handlung aber wieder gut gemacht werden

Phantasmen - Kai Meyer

Phantasmen
von Kai Meyer

"Weißt du, wie es ist, jemanden so sehr zu lieben, dass er in jedem Bild auftaucht, das du dir von deiner Zukunft ausmalst." (Erster Satz)
Kurz nachdem Rain's Eltern gestorben sind, sind sie erschienen: Die Geister. Der Zeitpunkt an dem der erste Geist erschienen ist, wird als Zeitpunkt Null bezeichnet. Und nur ein Jahr nach dem Zeitpunkt null sind die Geister der Personen erschienen, die in den letzten zwei Jahren gestorben sind. Und es werden täglich mehr, inzwischen sind es sogar so viele, dass die Städte Tag und Nacht vom Totenlicht erhellt sind.
Nun wartet Rain mit ihrer Schwester darauf, dass ihre Eltern erscheinen. Dafür sind sie durch halb Europa gereist. Aber was sie dort erwartet, hätten sie sich nicht erträumen können. Denn als Rain sich von ihren Eltern verabschiedet fangen die Geister an zu lächeln. Aber nicht etwa freundlich..

Meinung:
Schon auf den ersten Seiten machte sich der typische Schreibstil von Kai Meyer bemerkbar. Und damit meine ich nicht etwa den lockeren Touch, den er mit sich bringt, sondern die unglaublich detaillierten Beschreibungen der Umgebung, die sich wie ein Film ins Gedächtnis brannten. So hat er uns auch gezeigt, dass man auch aus einer leeren Wüste einen tollen Schauplatz zaubern kann, wenn man nur weiß mit Worten umzugehen.
Auch seine Charakterwahl schien mit nicht verwunderlich, denn er gab ihr gleich zu Beginn eine Bedeutung und verlieh ihr Tiefe, die sie aber nicht beibehalten konnte. Denn man hat nur immer mal wieder wenige Ausschnitte aus ihrem Leben gesehen, da die liebe Rain sich immer mehr verschlossen hat, nachdem ihre Eltern bei dem Flugzeugunglück ums Leben gekommen sind. Ihre Schwester Emma dagegen ist das komplette Gegenteil, denn diese ist sehr weltoffen, wird von allen geliebt und hat kein Blatt vor dem Mund. Sie ist auch einer der Gründe wieso Rain kämpft und nach der Wahrheit such, wieso ihre Eltern gestorben sind und was die Smile-Waves, in denen die Geister lächelten, damit zu tun haben. Dieses Gegenstück zu Rain verleiht der Geschichte auch die nötige Würze, denn die kleine Emma ist der Grund für das Abenteuer der beiden.
Tyler, denn Rain und ihre Schwester bei den Geistern ihrer Eltern treffen, ist ein sehr gefühlvoller Mensch, aber beherrscht ebenfalls die Kunst des sich Zurückziehens. Jedoch durstet auch er nach der Wahrheit und hat auch noch einen sehr ausgeprägten Beschützerinstinkt, auch wenn das zuerst nicht so scheint. Er ist außerdem die Person, die den größten Wandel durchmacht, denn zunächst begibt er sich zu der Unglücksstelle um seine geliebte Flavie ein letztes Mal zu sehen. Auch wegen ihr begibt er sich auf das gefährliche Abenteuer. Doch nach und nach spielen andere Faktoren für ihn eine Rolle und seine Geschichte wird zu mehr als einer kleinen Liebesromanze, wie es zunächst scheint.
So baute sich auch die Handlung Schlag auf Schlag auf und ließ einen kaum Zeit zum Ausruhen, was auch an 
den vielen Smile-Waves lag, von denen man jedes mal befürchten musste, dass sie einem Hauptdarsteller das Leben kosten würden. Während die Charaktere hin und wieder wegen ihrer fehlenden Tiefe strauchelten, sorgte die Handlung für umso mehr Spannung und Interesse, den der Bezug zu religiösen Sekten, der drohende Untergang und die wenigen, aber gut durchdachten Schauplatzwechsel sorgten dafür, dass man nicht aufhören konnte zu lesen. Jedoch gab es auch einige Details zur Handlung die einem suspekt vorkamen, darunter viel auch unter anderem das traumatische Erlebnis von Rain in Afrika. Vermutlich wollte der Autor seiner Protagonistin so noch ein wenig mehr Tiefe verleihen, was in diesem Fall leider doch unnötig war und wenig gebracht hat.
Das Ende war für mich wiederum sehr nachvollziehbar und ebenfalls Spannend und sorgte für ein paar weitere Aufatmer, die dann in ein ruhiges Leben danach verliefen. Es zeigt auch den Wandel der Gesellschaft, sobald etwas in der Welt nicht nach Plan läuft und zu einer Katastrophe ausartet.

Fazit
Auch dieses Mal lockt Kai Meyer mit einer fantastischen Idee zum Lesen an, was ihm eindeutig gelingt. Glücklicherweise kann die Handlung alles Erwartungen gerecht werden, denn mit viel Spannung, erfolgreichen Kulissendarstellungen und -wechseln schaffte er es mich ein weiteres Mal in eine andere Welt zu führen. Auch des zusammenspinnen aller gelegten Stränge fählt ihm nicht allzu schwer. Doch beim Drumherum hapert es leider noch, denn die Charaktere verlieren in dem ganzen Trubel einiges an Tiefe, was der Autor auch mit einigen Versuchen nicht mehr retten kann. Dennoch war es mir eine Freude dieses Buch zu lesen und die wundervollen dargestellten, detaillierten, Abläufe in meinem Kopf mitzuerleben.