Rezension

Kleiner asiatischer Kosmos aus Liebe, Krankheit und Diplomatie

Die kleine Souvenirverkäuferin - François Lelord

Die kleine Souvenirverkäuferin
von François Lelord

Bewertet mit 4 Sternen

Mitten in den 1990er Jahren arbeitet der französische Arzt Julien in einem Krankenhaus. Seine britische Kollegin Clea und sein vietnamesischer Chef Dâng versuchen einen unbekannten Virus zu bekämpfen. Eine Ordensschwester ist schwer erkrankt an diesem Virus.  Da anscheinend der Virus von der Dorfbevölkerung im Norden des Landes in die größeren Städte getragen wird, überlegen sich die Ärzte wie sie der dortigen Bevölkerung helfen können, weil hauptsächlich die jungen Männer und Frauen in die Stadt gehen, um Geld für ihre Familien zu verdienen. Zwischen Krankenhausalltag und Abende in gewissen Bars mit Mitarbeitern aus der französischen Botschaft lernt Julien die kleine Souvenirverkäuferin – oder auch liebevoll Herbstmilch genannt – kennen. Herbstmilch ist auf der einen Seite nah für Julien, und dann wieder nicht. Herbstmilch lebt für ihre Familie, um Geld zu verdienen. An einem See steht sie jeden Tag, aber das Terrain ist nicht ungefährlich für sie, wenn Diplomaten in der Stadt sind. Manche Verkäuferinnen werden mit Gefängnisaufenthalt bestraft. Eines Tages machen sich Clea und Julien auf dem Weg in ein entlegenes Dorf. Dort treffen sie die ersten kranken Menschen an. Clea entnimmt Blutproben bei den Dorfbewohnern. Aus Versehen rutscht ihr die Spritze ab. Zurück in der Stadt beginnt die Zeit des Überlebens. Julien steht in einer Welt zwischen der Rolle als Arzt, der Freundschaft zu Clea und der unausgesprochenen Liebe zu Herbstmilch.

Der französische Autor François Lelord ist bekannt geworden durch seine Bücher mit dem Protagonisten Hector. Bei diesem Roman begibt er sich auf eine Reise nach Asien - genauer nach Vietnam – die die zweite Heimat des Autors geworden ist. Frankreich besetzte in der Vergangenheit das asiatische Land als Kolonialherrscher. Deshalb existiert bis heute eine Beziehung zwischen beiden Ländern. Anfangs und zwischendurch bekommt man in der Geschichte den Eindruck, sich „noch“ in der Kolonialzeit zu befinden, und nicht längst entfernt davon in den 1990er Jahren. Dennoch beeindrucken die Liebe und Emotionen zwischen den Figuren sowie die Beschreibung der vietnamesischen Kultur und deren Landeseindrücke, die einen beim Lesen in eine andere Welt außerhalb Europas und jeglicher Großstadtatmosphäre versetzen. Ebenso zeigt die Geschichte negative und positive Seiten des Landes und der Kultur, trotzdem liegt keine Schwere in der Erzählweise, eher im Gegenteil. Kurze Kapitel undein handliches Buchformat – kleiner als übliche Hardcoverbücher – bereiten ein angenehmes Lesevergnügen.

Bei diesem Roman empfand ich eine gewisse Leichtigkeit in der Sprache, Atmosphäre und Sprachstil. Mir haben die zwischenmenschlichen Beziehungen sehr gut gefallen. Eher gestört haben mich die Altlasten der Kolonialzeit, die sich zwischen den Zeilen liest. Da ich dieses Land noch nicht bereist habe, kann es gut sein, dass über diesem Land noch ein Hauch von Kolonialstil liegt. Man merkt, dass dem Autor das Land sehr am Herzen liegt, was sich in dieser Geschichte wiederspiegelt. Wer gerne in ferne Länder und deren Geschichten abtaucht, kann ich diesen Roman sehr empfehlen. Eine Geschichte aus Liebe, Diplomatie, Überlebenskampf und Kultur.