Rezension

Kleines Stück Sommer in Buchform

Offene See
von Benjamin Myers

Bewertet mit 4 Sternen

Der Zweite Weltkrieg ist gerade erst zu Ende gegangen und hat ein gebeuteltes Land hinterlassen. Verlust und Verzicht herrschen noch immer vor als sich Robert aus seinem Bergarbeiterstädtchen auf dem Weg macht, um England zu Fuß zu erkunden. Die Schule hat er gerade beendet und bevor er es seinem Vater und Großvater gleichtut und unter Tage verschwindet, will er etwas sehen von der Welt. Kurz bevor er die Küste erreicht, stößt er auf Dulcies versteckt gelegenes Cottage. Und so eine Frau wie Dulcie hat er noch nie getroffen! Anpackend, offen, belesen, direkt, mit einer ihm neuen Weltsicht und einem unbegreiflichen Vorrat an Wein, Butter und diversen anderen Lebensmitteln, die er zum Teil noch nie gekostet hat.

„Es war Krieg gewesen, und obwohl der Kampf zu Ende war, tobte er noch immer in den Männern und Frauen, die ihn mit sich nach Hause genommen hatten.
Er lebte in ihren Augen weiter oder hing ihnen schwer um die Schultern wie ein blutgetränkter Umhang. Und er blühte in Ihren Herzen, eine schwarze Blume, die dort Wurzeln geschlagen hatte und nie mehr ausgerissen werden konnte.“

S. 13

Bei ihr lernt Robert neue Sichtweisen, neue Geschmäcker und neue Perspektiven für seine Zukunft kennen. Doch auch die lebensfrohe Dulcie hat ihre dunklen Seiten. Das Meer beispielsweise scheint sie zu bedrücken und was hat es mit dem ihr gewidmeten Manuskript auf sich, dass sie sich weigert zu lesen?

Offene See ist ein hübsches einfaches Büchlein, das mit seinem wundervollen Setting besticht. Sonne, Gras, frische Luft, köstliches Essen und üppige Natur springen einen nur so an. Am liebsten würde man sich zu Dulcie und Robert an ihren Tisch im Freien setzten, mit ihnen essen, trinken, diskutieren und das Leben genießen. Besonders Naturliebhaber kommen hier auf ihre Kosten.

"Ich steig aus der Senke, in der das Cottage und die Wiese lagen, und das Land öffnete sich wieder. Hinter mir war eine wogende Decke des Lebens, die sich bis zu den Fischerhäusern in der Bucht erstreckte, und dahinter nichts als Meer, so weit das Auge reichte.“
S. 66

An Personal gibt es – neben Schäferhund Butler – wirklich nur Dulcie und Robert. Und für mich trug Dulcie fast alleine durch dem Roman. Zwar erleben wir mit Ich-Erzähler Robert einiges Neues, wirklich interessant und unterhaltsam wird es aber vor allem im Gespräch mit der lebenserfahrenen Frau.

Man muss in Stimmung sein für dieses einfache kleine Stückchen Sommer im Buchform. Ist man das, kann man ein wenig Freude, ein wenig Leid, ein wenig Ruhe und ganz viel Natur genießen.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 20. März 2020 um 18:21

Ist das nicht (ungekennzeichneter) Klappentext da oben?

Welche Lebensmittel hat er denn noch nie gekostet? Austern? (Nicht schad drum. Franzosen sollen so süchtig danach sein nach dem Glibberzeug. Aber wir sind ja in England). Trüffel? Ingwer? Rosmarin? Pfau?

Danke für die Rezi. Ich war am Zweifeln ob ich das Buch lesen möchte. Möchte ich nicht. Die Auszüge vermitteln schlimme Schwülstigkeit. Aber so warst du wenigstens mal weg, Minzi.

Ist er dann untertage gegangen wie es sich gebührt?

katzenminze kommentierte am 20. März 2020 um 18:33

Nein, da ist kein Klappentext drin. ;)

Austern kommen auch nicht vor. Aber Hummer, der ist neu. Wein, Butter hatte er auch lange nicht mehr, Zitrone noch nie.

Wenn sie sich unterhalten (und das tun sie recht viel) ist es nicht so arg. Aber ja, die Art zu beschreiben muss man mögen!

Naaaaa, das darf ich bestimmt nicht verraten! ;)

wandagreen kommentierte am 30. März 2020 um 20:26

Stimmt. Darfst du nicht. Gute Minzi!! Ich mag Zitrone über dem Gemüse. Wenn es fertig gegart ist. Hab ich neu entdeckt. Austern hab ich noch nie gegessen - und werde es nicht. Hummer (früher probiert) mag ich nicht. Krabben auch nicht. Das ganze Krebszeug ist mir zuwider. Gewesen.